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00-Vorwort
01-Schlachtfeld von Kuruksetra
02-Inhalt der Gita
03-Karma Yoga
04-Transzentrales Wissen
05 Karma yoga - Handeln im Krsna-Bewusstsein
06-Dhyana-yoga
07-Wissen vom Absoluten
08-Wie man den Höchsten erreicht
09- Das vertraulichste Wissen
10-Die Füllen des Absoluten
11- Die universale Form
12- Hingebungsvoller Dienst
13- Natur, Genießer und Bewusstsein
14-Die drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur
15-Der yoga der Höchsten Person
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Bhagavad-gita : 06-Dhyana-yoga
SECHSTES KAPITEL
Dhyana-yoga
VERS 1

Der Segenspendende Herr sprach: Wer an den Früchten

seiner Arbeit nicht haftet und so arbeitet, wie es seine

Pflicht vorschreibt, befindet sich im Lebensstand der

Entsagung. Er ist der wahre Mystiker, und nicht der,

der kein Feuer entzündet und keine Arbeit verrichtet.

ERLÄUTERUNG

In diesem Kapitel erklärt der Herr, dass der Vorgang des

achtfachen yoga-Systems ein Mittel ist, den Geist und die

Sinne zu beherrschen. Dies ist jedoch für die meisten

Menschen sehr schwierig, besonders im Zeitalter des Kali.

Obwohl das achtfache yoga-System in diesem Kapitel

empfohlen wird, betont der Herr, dass der Vorgang des

karma-yoga oder des Handelns im Krsna-Bewusstsein

besser ist. Jeder auf dieser Welt ist tätig, um seine Familie

mit allem, was dazu gehört, zu unterhalten; niemand

handelt ohne irgendein Selbstinteresse oder irgendeine

persöniche Befriedigung - ob nun konzentriert oder

ausgedehnt. Das Kriterium von Vollkommenheit besteht

darin, im Krsna-Bewusstsein zu handeln, anstatt mit dem

Gedanken, die Früchte der Arbeit zu genießen. Im

Krsna-Bewusstsein zu handeln, ist die Pflicht aller

Lebewesen, da alle von Natur aus winzige Bestandteile des

Höchsten sind. Die Teile des Körpers arbeiten für die

Zufriedenstellung des ganzen Körpers. Die einzelnen

Glieder des Körpers handeln nicht für ihre eigene

Befriedigung, sondern für die Zufriedenstellung des

Vollständigen Ganzen. In ähnlicher Weise ist das

Lebewesen, das für die Zufriedenstellung des Höchsten

Ganzen, und nicht für persönliche Befriedigung, handelt,

der vollkommene sannyasi, der vollkommene yogi.

Manche sannyasis denken künstlich, sie seien allen

materiellen Pflichten enthoben, und hören deshalb auf,

agnihotra-yajnas (Feueropfer) darzubringen. In Wirklichkeit

aber sind sie nur an sich selbst interessiert, da sie

das Ziel haben, mit dem unpersönlichen Brahman eins zu

werden. Ein solcher Wunsch ist erhabener als jeder

materieller Wunsch, doch ist er nicht ohne Selbstinteresse.

In ähnlicher Weise trachtet der mystische yogi, der mit

halbgeöffneten Augen das yoga-System praktiziert und alle

materiellen Tätigkeiten einstellt, nach irgendeiner

Befriedigung für sich persönlich. Jemand aber, der im

Krsna-Bewusstsein handelt, arbeitet für die Zufriedenstellung

des Ganzen, ohne Selbstinteresse. Ein

Krsna-Bewusster Mensch hat kein Verlangen nach eigener

Befriedigung. Sein Kriterium für Erfolg ist die Zufriedenheit

Krsnas, und daher ist er der vollkommene sannyasi
oder vollkommene yogi. Sri Krsna Caitanya, das
vollkommenste Beispiel für Entsagung, betet:

"O Allmächtiger Herr, Ich begehre weder Reichtum noch

schöne Frauen, noch wünsche Ich Mir Anhänger. Alles,

was Ich Mir in Meinem Leben wünsche, ist die grundlose

Barmherzigkeit Deines hingebungsvollen Dienstes -
Geburt für Geburt."
VERS 2

Was man als Entsagung bezeichnet, ist das gleiche wie

yoga oder Sichverbinden mit dem Höchsten, denn

niemand kann ein yogi werden, solange er nicht dem

Wunsch nach Sinnenbefriedigung entsagt.
ERLÄUTERUNG

Wirklicher sannyasa-yoga oder wahre bhakti bedeutet, dass

man seine wesensgemäße Stellung als Lebewesen kennen

und dementsprechend handeln sollte. Das Lebewesen hat

keine gesonderte, unabhängige Identität. Es ist die

marginale Energie des Höchsten. Wenn es von der

materiellen Energie gefangen ist, ist es bedingt, und wenn

es Krsna-Bewusst, das heisst sich der spirituellen Energie

Bewusst ist, befindet es sich in seinem wirklichen und

natürlichen Zustand des Lebens. Wenn man daher über

umfassendes Wissen verfügt, beendet man alle materielle

Sinnenbefriedigung, das heisst, man entsagt allen Arten

sinnenbefriedigender Tätigkeiten. Dies wird von yogis

praktiziert, die ihre Sinne von materieller Anhaftung

zurückhalten. Ein Mensch im Krsna-Bewusstsein aber hat

gar keine Gelegenheit, seine Sinne mit irgendetwas zu

beschäftigen, was nicht im Interesse Krsnas ist. Daher ist

ein Krsna-Bewusster Mensch gleichzeitig ein sannyasi und

ein yogi. Der Zweck von Wissen und Sinnenbeherrschung,

wie es in den jnana- und yoga-Vorgängen vorgeschrieben

ist, wird im Krsna-Bewusstsein von selbst erfüllt. Wenn

man nicht imstande ist, die Tätigkeiten seiner selbstischen

Natur aufzugeben, sind jnana und yoga nutzlos. Das

wirkliche Ziel für das Lebewesen besteht darin, jede

selbstsüchtige Befriedigung aufzugeben und bereit zu sein,

den Höchsten zufriedenzustellen. Ein Krsna-Bewusster

Mensch trachtet nach keinerlei persönlichem Genuss. Er ist

immer damit beschäftigt, den Höchsten zu erfreuen. Wer

vom Höchsten nichts weiß, muss deshalb damit beschäftigt

sein, sich selbst zufriedenzustellen, denn niemand kann sich

in einem Zustand der Untätigkeit halten. All diese Zwecke

werden in vollkommener Weise erfüllt, wenn man
Krsna-Bewusstsein praktiziert.
VERS 3

Einem Neuling im achtfachen yoga-System wird Arbeit

als Weg empfohlen, und die Einstellung aller

materiellen Tätigkeiten gilt als Weg für jemanden, der

yoga bereits erreicht hat.
ERLÄUTERUNG

Der Vorgang, sich mit dem Höchsten zu verbinden, wird

yoga genannt. Yoga kann mit einer Leiter verglichen

werden, mit deren Hilfe man die höchste spirituelle

Verwirklichung erreichen kann. Diese Leiter beginnt von

der niedrigsten materiellen Bedingung des Lebewesens und

steigt auf bis zur vollkommenen Selbstverwirklichung im

reinen spirituellen Leben. Je nach den verschiedenen

Graden spirituellen Fortschritts sind die verschiedenen

Stufen der Leiter unter verschiedenen Bezeichnungen

bekannt. Die vollständige Leiter wird yoga genannt und

kann in jnana-yoga, dhyana-yoga und bhakti-yoga

unterteilt werden. Der Anfang der Leiter wird als die

yogaruruksa-Stufe bezeichnet, und die höchste Sprosse

wird yogarudha genannt.
Was das achtfache yoga-System betrifft, so werden

Versuche am Anfang, durch regulierende Prinzipien und

verschiedene Sitzstellungen (die mehr oder weniger

körperliche Übungen sind) in Meditation zu versinken, als

fruchtbringende, materielle Tätigkeiten angesehen. All

diese Tätigkeiten führen zu vollkommener geistiger

Ausgeglichenheit, so dass man die Sinne beherrschen kann.

Wenn man die Praxis der Meditation vollendet beherrscht,

beendet man alle störenden Tätigkeiten des Geistes.

Ein Krsna-Bewusster Mensch jedoch befindet sich von

Anfang an auf der Ebene von Meditation, weil er immer an

Krsna denkt. Und da er ständig im Dienste Krsnas

beschäftigt ist, kann man sagen, dass er alle materiellen

Tätigkeiten beendet hat.
VERS 4

Man sagt, ein Mensch habe yoga erreicht, wenn er, da

er alle materiellen Wünsche aufgegeben hat, weder für

Sinnenbefriedigung handelt noch fruchtbringende
Tätigkeiten verrichtet.
ERLÄUTERUNG

Wenn jemand im transzendentalen liebevollen Dienst des

Herrn voll beschäftigt ist, ist er im Selbst zufrieden und

daher nicht länger an Sinnenbefriedigung oder

fruchtbringenden Tätigkeiten interessiert. Sonst muss man

mit Sinnenbefriedigung beschäftigt sein, da man nicht

leben kann, ohne tätig zu sein. Ohne Krsna-Bewusstsein

muss man sich immer ichbezogene oder auf andere

ausgedehnte selbstische Tätigkeiten suchen. Aber ein

Krsna-Bewusster Mensch kann alles tun, um Krsna zu

erfreuen, und so von Sinnenbefriedigung in vollkommener

Weise losgelöst sein. Wer das nicht erkennt, muss auf

mechanische Weise versuchen, materiellen Wünschen zu

entkommen, bevor er auf die höchste Sprosse der
yoga-Leiter erhoben werden kann.
VERS 5

Ein Mensch muss sich durch seinen Geist erheben, nicht

erniedrigen. Der Geist ist der Freund der bedingten

Seele, aber auch ihr Feind.
ERLÄUTERUNG

Verschiedenen Umständen entsprechend bezeichnet das

Wort atma Körper, Geist oder Seele. Im yoga-System sind

der Geist und die bedingte Seele von besonderer

Bedeutung. Da der Geist der Mittelpunkt der yoga-Praxis

ist, bezieht sich atma hier auf den Geist. Es ist das Ziel des

yoga-Systems, den Geist zu beherrschen und von der

Anhaftung an die Sinnesobjekte zurückzuziehen. Es wird

hier betont, dass der Geist so geschult werden muss, dass er

die bedingte Seele aus dem Sumpf der Unwissenheit retten

kann. Im materiellen Dasein unterliegt man dem Einfluß

des Geistes und der Sinne. Ja, die reine Seele ist in die

materielle Welt verstrickt, weil das Ego des Geistes

verlangt, über die materielle Natur zu herrschen. Deshalb

sollte der Geist geschult werden, so dass er nicht vom

Geflimmer der materiellen Natur angezogen wird; auf diese

Weise kann die bedingte Seele gerettet werden. Man sollte

sich nicht durch die Anziehung an die Sinnesobjekte

erniedrigen. Je mehr man von den Sinnesobjekten

angezogen wird, desto mehr wird man ins materielle Dasein

verstrickt. Der beste Weg, sich aus dieser Verstrickung zu

lösen, besteht darin, den Geist ständig im

Krsna-Bewusstsein zu beschäftigen. Das Wort hi wird hier

gebraucht, um diesen Punkt hervorzuheben; es bedeutet,

dass man in dieser Weise handeln muss. Es wird auch

gesagt:

"Für den Menschen ist der Geist sowohl die Ursache von

Knechtschaft als auch die Ursache von Befreiung. Der bei

Sinnesobjekten weilende Geist ist die Ursache von

Knechtschaft, und der von den Sinnesobjekten losgelöste

Geist ist die Ursache von Befreiung."

Deshalb ist der Geist, der immer im Krsna-Bewusstsein tätig

ist, die Ursache höchster Befreiung.
VERS 6

Für den, der den Geist bezwungen hat, ist der Geist der

beste Freund; doch für den, der dies versäumt hat, wird

der gleiche Geist zum größten Feind.
ERLÄUTERUNG
Es ist das Ziel des achtfachen yoga, den Geist zu

beherrschen, um ihn zu einem Freund zu machen, der hilft,

die Mission des menschlichen Lebens zu erfüllen. Solange

man den Geist nicht beherrscht, ist das Praktizieren von

yoga (als Show) nichts als Zeitverschwendung. Wer seinen

Geist nicht beherrschen kann, lebt ständig mit dem größten

Feind zusammen, und so wird sein Leben und seine

Mission ruiniert. Es ist die wesensgemäße Stellung des

Lebewesens, die Anordnungen eines Höheren auszuführen.

Solange der Geist ein unbesiegter Feind bleibt, muss man

dem Diktat von Lust, Zorn, Illusion usw. folgen. Wenn aber

der Geist bezwungen ist, folgt man freiwillig den

Anweisungen des Herrn, der Persönlichkeit Gottes, der im

Herzen eines jeden als Paramatma gegenwärtig ist.

Wirkliche yoga-Praxis läuft darauf hinaus, dem Paramatma

im Herzen zu begegnen und dann Seinen Anweisungen zu

folgen. Wer sich dem Krsna-Bewusstsein direkt zuwendet,

ergibt sich den Anweisungen des Herrn völlig automatisch.

VERS 7
Für jemand, der den Geist bezwungen hat, ist die

Überssele bereits erreicht, denn er hat Ausgeglichenheit

erlangt. Für einen solchen Menschen sind Glück und

Leid, Hitze und Kälte, Ehre und Schmach das gleiche.

ERLÄUTERUNG

Eigentlich wird von jedem Lebewesen erwartet, dass es den

Anweisungen des Herrn, der Höchsten Persönlichkeit

Gottes, folgt, der als Paramatma im Herzen eines jeden

weilt. Wenn der Geist durch die äußere, illusionierende

Energie irregeführt ist, wird man in materielle Tätigkeiten

verstrickt. Solange daher der Geist durch eines der

yoga-Systeme gemeistert wird, muss man als jemand gelten,

der das Ziel bereits erreicht hat. Man hat den Anweisungen

eines Höheren zu folgen. Wenn der Geist fest auf die

höhere Natur gerichtet ist, hat er keine andere Möglichkeit,

als den Weisungen des Höchsten zu folgen. Der Geist muss

eine höhere Weisung anerkennen und ihr folgen. Wenn

man den Geist beherrscht, folgt man von selbst den

Anweisungen des Paramatma, der Überseele. Weil diese

transzendentale Position sogleich von jemandem erreicht

wird, der sich im Krsna-Bewusstsein befindet, wird der

Geweihte des Herrn von den Dualitäten des materiellen

Daseins, wie Leid und Glück, Kälte und Hitze usw., nicht

beeinflusst. Diese Stufe ist praktischer samadhi oder

Versenkung in den Höchsten.
VERS 8

Ein Mensch gilt als selbstverwirklicht und wird als yogi

[oder Mystiker] bezeichnet, wenn er kraft erworbenen

Wissens und Verwirklichung völlig zufrieden ist. Ein

solcher Mensch ist in der Transzendenz verankert und

selbstbeherrscht. Er sieht alles - ob Kiesel, Steine oder

Gold - als gleich an.
ERLÄUTERUNG

Buchwissen ohne Verwirklichung der Höchsten Wahrheit

ist nutzlos. Dies wird wie folgt bestätigt:

"Niemand kann das transzendentale Wesen des Namens,

der Gestalt, der Eigenschaften und der Spiele Sri Krsnas

mit seinen materiell verunreinigten Sinnen verstehen. Nur

wenn jemand durch den transzendentalen Dienst für den

Herrn von spiritueller Energie durchdrungen wird, werden

ihm der transzendentale Name, die transzendentale Gestalt,

die transzendentalen Eigenschaften und die transzendentalen

Spiele des Herrn offenbart." (Padma Purana)
Die Bhagavad-Gita ist die Wissenschaft des

Krsna-Bewusstseins. Niemand kann einfach durch weltliche

Gelehrtheit Krsna-Bewusst werden. Man muss das Glück

haben, mit einem Menschen zusammenzukommen, der in

reinem Bewusstsein verankert ist. Ein Krsna-Bewusster

Mensch verfügt durch die Gnade Krsnas über

verwirklichtes Wissen, da er mit reinem hingebungsvollen

Dienen zufrieden ist. Durch verwirklichtes Wissen erreicht

man die Vollkommenheit. Durch transzendentales Wissen

kann man in seinen Überzeugungen beständig bleiben -

durch bloßes akademisches Wissen jedoch kann man leicht

durch vermeintliche Widersprüche getäuscht und verwirrt

werden. Es ist die verwirklichte Seele, die tatsächlich

selbstbeherrscht ist, weil sie sich Krsna ergeben hat. Sie ist

transzendental, da sie nichts mit weltlicher Gelehrsamkeit

zu tun hat. Für sie sind weltliche Gelehrsamkeit und

gedankliche Spekulation, die anderen so gut wie Gold

erscheinen mögen, nicht mehr wert als Kiesel oder Steine.

VERS 9

Man sagt, ein Mensch sei noch weiter fortgeschritten,

wenn er sowohl Freunde als auch Feinde, Neidische und

Wohlgesinnte, die Frommen, die Sünder und die, die

gleichgültig und unparteiisch sind, mit gleichen Augen

sieht.
VERS 10

Ein Transzendentalist sollte immer versuchen, seinen

Geist auf das Höchste Selbst zu richten; er sollte allein

an einem einsamen Ort leben und seinen Geist stets

sorgfältig beherrschen. Er sollte von Wünschen und

Gefühlen der Besitzgier frei sein.
ERLÄUTERUNG
Krsna wird in verschiedenen Stufen als Brahman,

Paramatma und die Höchste Persönlichkeit Gottes erkannt.

Krsna-Bewusstsein bedeutet, kurz gesagt, immer im

transzendentalen liebevollen Dienst des Herrn beschäftigt

zu sein. Aber auch diejenigen, die am unpersönlichen

Brahman oder der lokalisierten Überseele haften, sind

teilweise Krsna-Bewusst, denn das unpersönliche Brahman

ist die spirituelle Ausstrahlung Krsnas, und die Überseele

ist die alldurchdringende Teil-Erweiterung Krsnas. Folglich

sind auch der Anhänger der Unpersönlichkeitslehre und der

Meditierende indirekt Krsna-Bewusst. Der direkt

Krsna-Bewusste Mensch ist der Transzendentalist höchsten

Ranges, da solch ein Gottgeweihter weiß, was mit Brahman

oder Paramatma gemeint ist. Sein Wissen von der
Absoluten Wahrheit ist vollkommen, wohingegen der

Unpersönlichkeitsanhänger und der meditierende yogi nur

unvollkommen Krsna-Bewusst sind.

Nichtsdestoweniger wird ihnen allen hiermit geraten,

ständig ihre jeweiligen Ziele zu verfolgen, auf dass sie

früher oder später die höchste Vollkommenheit erreichen

mögen. Das oberste Gebot für einen Transzendentalisten

lautet, seinen Geist immer auf Krsna zu richten. Man sollte

immer an Krsna denken und Ihn nicht einmal für einen

Augenblick vergessen. Die Konzentration des Geistes auf

den Höchsten wird samadhi oder Trance genannt. Um den

Geist zu konzentrieren, sollte man immer an einem

einsamen Ort bleiben und jede Störung durch äußere

Objekte vermeiden. Man sollte daher sehr darauf achten,

Bedingungen, die die Verwirklichung günstig beeinflussen,

anzunehmen, und ungünstige Bedingungen abzulehnen.

Mit vollkommener Entschlossenheit sollte man dann nicht

nach unnötigen materiellen Dingen begehren, die einen

durch Gefühle der Besitzgier verstricken würden.

All diese Vervollkommnungen und Vorsichtsmaßnahmen

werden in vollkommener Weise in die Tat umgesetzt, wenn

man sich direkt im Krsna-Bewusstsein befindet, denn

direktes Krsna-Bewusstsein bedeutet Selbst-Verzicht, bei

dem kaum eine Möglichkeit für materielle Besitzgier

besteht. Srila Rupa Gosvami charakterisiert
Krsna-Bewusstsein so:

"Wenn man an nichts haftet, aber zugleich alles in

Beziehung zu Krsna annimmt, handelt man richtig, frei von

jeglicher Besitzgier. Wer jedoch alles zurückweist, ohne die

Beziehung der Dinge zu Krsna zu kennen, ist in seiner

Entsagung nicht so vollkommen." (Bh.r.s. 2.255-256)

Ein Krsna-Bewusster Mensch weiß sehr wohl, dass alles

Krsna gehört, und daher ist er stets frei von dem Gefühl,

etwas persönlich zu besitzen. Er begehrt daher nichts für

sich selbst. Er weiß die Dinge anzunehmen, die für sein

Krsna-Bewusstsein vorteilhaft sind, und die Dinge

abzulehnen, die für seinen spirituellen Fortschritt ungünstig

sind. Er steht immer über materiellen Dingen, weil er

immer in transzendentaler Stellung steht, und er ist immer

allein, da er nichts zu tun hat mit Menschen, die nicht

Krsna-Bewusst sind. Deshalb ist ein Mensch im Krsna--

Bewusstsein der vollendete yogi.
VERS 11-12

Um yoga zu praktizieren, sollte man an einen einsamen

Ort gehen, kusa-Gras auf den Boden legen und es mit

einem Rehfell und einem weichen Tuch bedecken. Der

Sitz sollte weder zu hoch noch zu niedrig sein und an

einem heiligen Ort liegen. Der yogi sollte sehr fest

darauf sitzen und sich im yoga üben, indem er den Geist

und die Sinne beherrscht, das Herz reinigt und den

Geist auf einen Punkt fixiert.
ERLÄUTERUNG

"Heiliger Ort" bezieht sich auf Pilgerorte. In Indien

verlassen die yogis, Transzendentalisten und Gottgeweihten

alle ihr Zuhause und wohnen an heiligen Orten, wie Prayag,

Mathura, Vrndavana, Hrsikesa und Hardwar, und

praktizieren dort, wo die heiligen Flüsse, wie die Yamuna

und die Ganga fließen, in Einsamkeit yoga. Oft aber ist

das - besonders für westliche Menschen - nicht möglich.

Die sogenannten yoga-Gesellschaften in den großen
Städten mögen zwar erfolgreich darin sein, einen

materiellen Nutzen zu bewirken, doch sind sie für die

eigentliche Praxis von yoga nicht geeignet. Wer nicht

selbstbeherrscht und wessen Geist nicht ungestört ist, kann

nicht meditieren. Deshalb wird im Brhan-Naradiya Purana

gesagt, dass im Kali-yuga (dem gegenwärtigen yuga oder

Zeitalter), wenn die meisten Menschen kurzlebig, langsam

in spiritueller Verwirklichung und ständig von

verschiedenen Ängsten verfolgt sind, das beste Mittel für

spirituelle Verwirklichung das Chanten der Heiligen

Namen des Herrn ist.
harer nama harer nama
harer namaiva kevalam
kalau nasty eva nasty eva
nasty eva gatir anyatha

"In diesem Zeitalter des Streites und der Heuchelei ist das

einzige Mittel der Befreiung das Chanten der Heiligen

Namen des Herrn. Es gibt keinen anderen Weg. Es gibt

keinen anderen Weg. Es gibt keinen anderen Weg."
VERS 13-14

Man sollte Körper, Hals und Kopf aufrecht in einer

geraden Linie halten und fortwährend auf die

Nasenspitze starren. Auf diese Weise sollte man mit

ungestörtem, beherrschtem Geist, ohne Furcht und
völlig frei von Sexualität über Mich im Herzen

meditieren und Mich zum endgültigen Ziel des Lebens

machen.
ERLÄUTERUNG

Das Ziel des Lebens besteht darin, Krsna zu kennen, der als

Paramatma, die vierhändige Visnu-Form, im Herzen eines

jeden Lebewesens weilt. Der yogaVorgang wird praktiziert,

um diese lokalisierte Form Visnus zu entdecken und zu

sehen - und für keinen anderen Zweck. Die lokalisierte

Visnu-murti ist die vollständige Repräsentation Krsnas, die

im Herzen eines jeden gegenwärtig ist. Ein Mensch, der

nicht die Absicht hat, diese Visnu-murti zu erkennen, ist

nur mit nutzlosem Schein-yoga beschäftigt und

verschwendet gewiß seine Zeit. Krsna ist das endgültige

Ziel des Lebens, und die Visnu-murti, die in jedem Herzen

weilt, ist das Ziel der yoga-Praxis. Um diese Visnu-murti

im Herzen zu erkennen, muss man sich der Sexualität

gänzlich enthalten; daher muss man sein Heim verlassen

und allein an einem einsamen Ort leben, indem man in der

oben beschriebenen Sitzstellung verharrt. Man kann nicht

täglich zu Hause oder anderswo Sexualität genießen, an

einem sogenannten yoga-Kursus teilnehmen und so zu

einem yogi werden. Man muss sich darin üben, den Geist zu

beherrschen und alle Arten von Sinnenbefriedigung zu

vermeiden, von denen Sexualität an erster Stelle steht. In

den Regeln des Zölibats, die von dem großen Weisen

YajNavalkya zusammengestellt wurden, heisst es:

"Das Gelübde des brahmacarya soll einem helfen, sich in

Taten, Worten und Gedanken - zu allen Zeiten, unter allen

Umständen und an allen Orten - der Sexualität ganz und

gar zu enthalten.

Niemand kann echten yoga praktizieren und zugleich

seinem Geschlechtstrieb freien Lauf lassen. Brahmacarya

wird deshalb von Kindheit an gelehrt, wenn man noch

nichts von Sexualität weiß. Im Alter von fünf Jahren

werden die Kinder zum guru-kula (dem Ort, an dem der

spirituelle Meister lebt) geschickt, und der Meister erzieht

die kleinen Jungen in der strengen Disziplin, brahmacaris

zu werden. Ohne solche Praxis kann niemand Fortschritte

in irgendeinem yoga machen, sei es dhyana, jnana oder

bhakti. Wer aber nach den Regeln und Regulierungen des

verheirateten Lebens lebt und nur mit seiner Frau eine

sexuelle Beziehung unterhält (und auch das nur unter

Regulierungen), wird ebenfalls als brahmacari bezeichnet.

Solch ein gezügelter Haushälter-brahmacari wird in der

bhakti-Schule akzeptiert, doch die jnana- und die
dhyana-Schule erkennen nicht einmal einen

Haushälter-brahmacari an. Sie fordern kompromißlos

völlige Enthaltsamkeit. In der bhakti-Schule ist einem

Haushälter-brahmacari ein beherrschtes Geschlechtsleben

erlaubt, denn der Kult des bhakti-yoga ist so mächtig, dass

man von selbst die Anziehung zur Sexualitat verliert, da

man im höherstehenden Dienst des Herrn beschäftigt ist. In

der Bhagavad-Gita (2.59) heisst es:

"Die verkörperte Seele kann zwar von Sinnenfreuden

zurückgehalten werden, doch der Geschmack für die

Sinnesobjekte bleibt; wenn sie jedoch solche Neigungen

aufgibt, da sie einen höheren Geschmack erfährt, ist sie im

transzendentalen Bewusstsein gefestigt."
Während andere gezwungen sind, sich von
Sinnenbefriedigung zurückzuhalten, verzichtet ein

Geweihter des Herrn von selbst, da er einen höheren

Geschmack erfährt. Außer dem Gottgeweihten hat niemand

von diesem höheren Geschmack Kenntnis.

Vigatabhih. Man kann nicht furchtlos sein, solange man

nicht völlig Krsna-Bewusst ist. Eine bedingte Seele ist voller

Furcht, weil ihr Gedächtnis pervertiert ist, das heisst, weil

sie ihre ewige Beziehung zu Krsna vergessen hat. Das

Bhagavatam sagt: Krsna-Bewusstsein ist die

einzige Grundlage für Furchtlosigkeit. Deshalb ist es nur

einem Krsna-Bewussten Menschen möglich, yoga in

Vollendung zu praktizieren. Und da es das endgültige Ziel

des yoga ist, den Herrn im Innern zu sehen, ist ein Krsna--

Bewusster Mensch bereits der beste aller yogis. Die hier

erwähnten Prinzipien des yoga-Systems unterscheiden sich

von denen der populären sogenannten yoga-Gesellschaften.

VERS 15

Während sich der mystische Transzendentalist so darin

übt, Körper, Geist und Tätigkeiten zu beherrschen,

erreicht er das Königreich Gottes [das Reich Krsnas],

indem er das materielle Dasein beendet.
ERLÄUTERUNG

Das endgültige Ziel der Praxis von yoga ist nun eindeutig

erklärt. Yoga ist nicht dafür gedacht, irgendwelche

materiellen Annehmlichkeiten zu erlangen; es soll dazu

befähigen, das materielle Dasein zu beenden. Wer seine

Gesundheit verbessern will und nach materieller

Vollkommenheit strebt, ist nach der Bhagavad-Gita kein

yogi. Auch bedeutet die Beendigung des materiellen

Daseins nicht, dass man in "die Leere" eingeht, die nur ein

Mythos ist. Nirgendwo in der Schöpfung des Herrn gibt es

Leere. Vielmehr befähigt einen die Beendigung des

materiellen Daseins, in den transzendentalen Himmel, das

Reich des Herrn, einzutreten. Das Reich des Herrn wird

ebenfalls in der Bhagavad-Gita klar beschrieben, und zwar

als der Ort, an dem weder Sonne noch Mond, noch
Elektrizität
notwendig sind. Alle Planeten im spirituellen

Königreich leuchten aus sich selbst heraus, wie die Sonne

am materiellen Himmel. Das Königreich Gottes ist überall,

doch der spirituelle Himmel und seine Planeten werden als

paraà-dhama oder höhere Reiche bezeichnet.

Wie hier vom Herrn Selbst eindeutig erklärt wird,kann ein

Vollendeter yogi, der Sri Krsna vollkommen erkennt, wahren

Frieden finden und schließlich sein höchstes Reich, das als

Goloka Vçndavana bekannte Krsnaloka, erreichen. In der

Brahma-saàhita wird eindeutig gesagt, dass der Herr, obwohl

Er Sich ständig in Seinem Reich Goloka aufhält, kraft Seiner

höheren, spirituellen Energien das alldurchdringende

Brahman wie auch der lokalisierte Paramatma ist. Niemand

kann den spirituellen Himmel erreichen oder in das ewige

Reich des Herrn (Vaikuntha, Goloka Vrndavana) eingehen,

ohne Krsna und Seine vollständige Erweiterung Visnu

richtig zu verstehen. Deshalb ist jemand, der im

Krsna-Bewusstsein tätig ist, der vollkommene yogi, da sein

Geist immer bei Krsnas Taten ist. Auch lernen wir aus

den Veden: "Man kann den Pfad von

Geburt und Tod nur überwinden, wenn man die Höchste

Persönlichkeit Gottes, Krsna, versteht." Mit anderen

Worten: Die Vollkommenheit des yoga-Systems besteht in

der Befreiung vom materiellen Dasein und nicht in irgendwelchen

magischen Spielereien oder gymnastischen

Kunststücken, die nur dazu dienen, unschuldige Menschen

zum Narren zu halten.
VERS 16

O Arjuna, es ist nicht möglich, ein yogi zu werden, wenn

man zuviel isst oder zuwenig isst, wenn man zuviel

schläft oder nicht genug schläft.
ERLÄUTERUNG

Hier wird den yogis empfohlen, Essen und Schlafen zu

regulieren. Zuviel zu essen bedeutet, mehr zu essen als

notwendig ist, um Körper und Seele zusammenzuhalten.

Für die Menschen ist es nicht notwendig, Tiere zu essen, da

ausreichend für Getreide, Gemüse, Früchte und Milch

gesorgt ist. Nach den Aussagen der Bhagavad-Gita

befinden sich solch einfache Nahrungsmittel in der

Erscheinungsweise der Tugend. Tierische Nahrung ist für

Menschen in der Erscheinungsweise der Unwissenheit.

Daher werden diejenigen, die tierische Nahrung zu sich

nehmen, die trinken, rauchen und Nahrung essen, die nicht

zuerst Krsna geopfert wurde, sündhafte Reaktionen

erleiden, da sie nur verunreinigte Dinge essen. Jeder, der zur

Sinnenfreude isst oder für sich selbst kocht, ohne seine

Nahrung Krsna zu opfern, isst nur Sünde. Wer Sünde isst

und mehr isst als ihm zusteht, kann keinen vollendeten yoga

praktizieren. Das Beste ist, nur die Überreste von Speisen

zu essen, die Krsna geopfert wurden. Ein Mensch im

Krsna-Bewusstsein isst nichts, was nicht zuerst Krsna

geopfert wurde. Deshalb kann nur ein Krsna-Bewusster

Mensch Vollkommenheit im yoga erreichen. Auch kann

niemand yoga praktizieren, der sich künstlich vom Essen

zurückhält und nach eigenem Gutdünken fastet. Der

Krsna-Bewusste Mensch fastet, wie es in den Schriften

empfohlen wird. Er fastet nicht länger oder isst nicht mehr

als notwendig, und daher ist er geeignet, yoga zu

praktizieren. Wer mehr isst, als er braucht, wird während

des

Schlafes sehr viel träumen und muss folglich länger

schlafen als notwendig. Man sollte täglich nicht mehr als

sechs Stunden schlafen. Wer von den vierundzwanzig

Stunden mehr als sechs Stunden schläft, wird zweifellos

von der Erscheinungsweise der Unwissenheit beeinflusst.

Ein Mensch in der Erscheinungsweise der Unwissenheit ist

träge und neigt dazu, viel zu schlafen. Ein solcher Mensch

kann nicht yoga praktizieren.
VERS 17
Wer in seinen Gewohnheiten des Essens, Schlafens,
Arbeitens und Sicherholens maßvoll ist, kann alle

materiellen Leiden lindern, indem er das yoga-System

praktiziert.
ERLÄUTERUNG

Extravaganz im Essen, Schlafen, Sichverteidigen und im

Sichpaaren - was Bedürfnisse des Körpers sind - kann

den Fortschritt im yoga aufhalten. Was das Essen betrifft,

so kann es nur reguliert sein, wenn man es gewohnt ist,

prasada oder geheiligte Nahrung zu sich zu nehmen. Nach

den Aussagen der Bhagavad-Gita (9.26) werden Sri Krsna

Gemüse, Blumen, Früchte, Getreide, Milch usw. geopfert.

Auf diese Weise wird ein Mensch im Krsna-Bewusstsein

von selbst geschult, keine Nahrung anzunehmen, die nicht

für die Ernährung des Menschen bestimmt ist oder die sich

nicht in der Erscheinungsweise der Tugend befindet. Was

das Schlafen betrifft, so ist ein Krsna-Bewusster Mensch bei

der Erfüllung seiner Pflichten im Krsna-Bewusstsein immer

wach, und deshalb sieht er jede unnötig verschlafene Zeit

als großen Verlust an. Für einen Krsna-Bewussten

Menschen ist es unerträglich, auch nur eine Minute seines

Lebens verstreichen zu lassen, ohne im Dienste Krsnas

beschäftigt zu sein. Deshalb beschränkt er seinen Schlaf auf

ein Mindestmaß. Sein Vorbild in dieser Hinsicht ist Srila Rupa

Rupa Gosvami, der ständig im Dienste Krsnas beschäftigt

war und nicht länger als zwei Stunden täglich schlafen

konnte, und manchmal nicht einmal das. Bevor Thakura

Haridasa nicht täglich dreihundertausendmal den Heiligen

Namen auf seiner Gebetskette gechantet hatte, nahm er

nicht einmal prasada zu sich oder schlief auch nur für einen

Augenblick. Was Arbeit betrifft, so tut ein Krsna-Bewusster

Mensch nichts, was nicht mit dem Interesse Krsnas

verbunden ist, und daher ist seine Arbeit immer reguliert

und unberührt von Sinnenbefriedigung. Da ein Mensch im

Krsna-Bewusstsein mit Sinnenbefriedigung nichts zu tun

hat, gibt es für ihn keinen materiellen Müssiggang. Und da

er bei all seinem Tun, Sprechen, Schlafen, Wachsein und

allen anderen körperlichen Tätigkeiten reguliert ist, gibt es

für ihn kein materielles Leid.
VERS 18

Wenn der yogi durch das Praktizieren von yoga seine

geistigen Tätigkeiten zügelt und in der Transzendenz

verankert wird - frei von materiellen Wünschen -,
sagt man von ihm, er habe yoga erreicht.
ERLÄUTERUNG

Die Tätigkeiten eines yogi unterscheiden sich von denen

eines gewöhnlichen Menschen dadurch, dass er

bezeichnenderweise alle Arten materieller Wünsche, von

denen Sexualität an erster Stelle steht, aufgegeben hat. Ein

vollkommener yogi beherrscht die Tätigkeit seines Geistes

so gut, dass er nicht länger von irgendeinem materiellen

Wunsch gestört werden kann. Wie es im

Srimad-Bhagavatam (9.4.18-20) heißt, kann diese Stufe der

Vollkommenheit von selbst von Menschen im Krsna-
Bewusstsein erreicht werden:

"König Ambarisa richtete als erstes seinen Geist auf die

Lotosfüße Sri Krsnas; als nächstes beschäftigte er seine

Worte damit, die transzendentalen Eigenschaften des Herrn

zu beschreiben; mit seinen Händen wischte er den Tempel

des Herrn; mit seinen Ohren hörte er über die Taten und

Spiele des Herrn; mit seinen Augen betrachtete er die

transzendentalen Formen des Herrn; mit seinem Körper

berührte er die Körper der Gottgeweihten; mit seinem

Geruchssinn roch er den Duft des Lotos, der dem Herrn

dargebracht war; mit seiner Zunge schmeckte er das tulasi-

Blatt, das den Lotosfüßen des Herrn geopfert war; mit

seinen Beinen ging er zu Pilgerstätten und zu den Tempeln

des Herrn; er neigte sein Haupt, um dem Herrn

Ehrerbietungen darzubringen, und beschäftigte seine

Wünsche darin, die Mission des Herrn zu erfüllen. All diese

transzendentalen Tätigkeiten sind einem reinen
Gottgeweihten angemessen."

Den Anhängern des Unpersönlichkeitspfads mag diese

transzendentale Stufe mit Worten nicht fassbar erscheinen,

doch wie aus der obigen Beschreibung der Beschäftigungen

Maharaja Ambarisas eindeutig hervorgeht, wird sie für

einen Menschen im Krsna-Bewusstsein sehr einfach und

praktisch. Solange nicht der Geist durch ständige

Erinnerung fest auf die Lotosfüße des Herrn gerichtet ist,

sind solche transzendentalen Beschäftigungen nicht

praktisch. Im hingebungsvollen Dienst des Herrn werden

diese vorgeschriebenen Tätigkeiten daher arcana genannt

oder die Betätigung aller Sinne im Dienste des Herrn. Die

Sinne und der Geist brauchen Beschäftigung. Sie einfach zu

verleugnen ist nicht praktisch. Deshalb ist für die Menschen

im allgemeinen - besonders für diejenigen, die nicht im

Lebensstand der Entsagung stehen - die transzendentale

Betätigung der Sinne und des Geistes, wie oben
beschrieben, der vollkommene Vorgang, um die
transzendentale Stufe zu erreichen, die in der
Bhagavad-Gita als yukta bezeichnet wird.
VERS 19

Wie ein Licht an einem windstillen Ort nicht flackert, so

bleibt auch der Transzendentalist, dessen Geist
beherrscht ist, in seiner Meditation über das
transzendentale Selbst immer stetig.
ERLÄUTERUNG

Ein wahrhaft Krsna-Bewusster Mensch, der immer in der

Transzendenz verankert und in eine ständige, ungestörte

Meditation über seinen verehrungswürdigen Herrn

versunken ist, ist so beständig wie ein Licht an einem

windstillen Ort.
VERS 20-23
Die Stufe der Vollkommenheit wird als Trance oder
samadhi bezeichnet, wenn der Geist durch das
Praktizieren von yoga von materiellen mentalen

Tätigkeiten vollständig zurückgezogen ist. Dies wird

dadurch charakterisiert, dass man die Fähigkeit erlangt,

das Selbst durch den reinen Geist zu sehen und im
Selbst zu genießen und sich zu freuen. In diesem
freudigen Zustand erfährt man grenzenloses

transzendentales Glück und genießt in sich selbst durch

transzendentale Sinne. So verankert weicht man

niemals von der Wahrheit ab, und wenn man diese Stufe

erreicht hat, denkt man, dass es keinen größeren Gewinn

gibt. In einer solchen Stellung gerät man niemals, nicht

einmal inmitten der größten Schwierigkeit, ins Wanken.

Das ist in der Tat wirkliche Freiheit von allen Leiden,

die aus der Berührung mit der Materie entstehen.
ERLÄUTERUNG

Durch das Praktizieren von yoga löst man sich allmählich

von materiellen Vorstellungen. Das ist das Hauptmerkmal

des yoga-Prinzips. Und danach erreicht man die Stufe der

Trance oder des samadhi, was bedeutet, dass der yogi die

Überseele durch den transzendentalen Geist und die

transzendentale Intelligenz erkennt, ohne dem Irrtum zu

unterliegen, das Selbst sei mit dem Überselbst identisch.

Yoga basiert mehr oder weniger auf den Prinzipien des

Patanjali-Systems. Einige unautorisierte Kommentatoren

versuchen, die individuelle Seele mit der Überseele

gleichzusetzen, und die Monisten halten das für Befreiung,

doch verstehen sie nicht den eigentlichen Zweck des

Patanjali-yoga-Systems. Im Patanjali-System wird

akzeptiert, dass es transzendentale Freude gibt, doch die

Monisten erkennen diese transzendentale Freude nicht an,

weil sie befürchten, die Theorie des Einsseins zu gefährden.

Die Dualität von Erkenntnis und Erkennendem wird von

den Nichtdualisten nicht akzeptiert, doch in diesem Vers

wird transzendentale Freude - erfahren durch

transzendentale Sinne - akzeptiert. Und das wird auch von

Patanjali Muni, dem berühmten Vertreter des

yoga-Systems, bestätigt. Der große Weise erklärt in seinen

Yoga-sutras: Diese citi-sakti oder innere Energie ist transzendental.

Purusartha bedeutet materielle Religiosität, wirtschaftliche

Entwicklung, Sinnenbefriedigung und am Ende den
Versuch, mit dem Höchsten eins zu werden. Dieses
"Einssein mit dem Höchsten" wird von den Monisten
kaivalyam genannt. Nach Patanjali aber ist dieses

kaivalyam eine innere oder transzendentale Energie, durch

die sich das Lebewesen seiner wesensgemäßen Stellung

Bewusst wird. Sri Krsna Caitanya nannte diesen Vorgang

das Reinigen des unreinen

Spiegels des Geistes. Dieses "Reinigen" ist eigentlich

Befreiung. Die

Theorie des nirvana - ebenfalls eine vorbereitende Stufe

der Erkenntnis - stimmt mit diesem Prinzip überein. Im

Bhagavatam wird dies svarupena uyavasthitih genannt.

Auch die Bhagavad-Gita bestätigt das in diesem Vers.

Nach dem nirvana oder der Beendigung des materiellen

Daseins kommt die Manifestation spiritueller Tätigkeiten,

das heisst hingebungsvoller Dienst für den Herrn oder

Krsna-Bewusstsein. Mit den Worten des Bhagavatam

ausgedrückt: svarupena uyavasthitih. Das ist das "wirkliche

Leben des Lebewesens". Maya oder Illusion ist spirituelles

Leben, durch materielle Infektion verunreinigt. Befreiung

von dieser materiellen Infektion bedeutet nicht die

Zerstörung der ursprünglichen, ewigen Stellung des

Lebewesens. Auch Patanjali akzeptiert dies mit seinen

Worten kaivalyam svarupa-pratisnha va citi saktir iti. Diese

citi-sakti oder transzendentale Freude ist wahres Leben. In

den Vedanta-sutras wird dies mit den Worten ananda-mayo

'bhyasat bestätigt. Diese natürliche transzendentale Freude

ist das endgültige Ziel des yoga, und sie wird leicht durch

hingebungsvollen Dienst oder bhakti-yoga erreicht.

Bhakti-yoga wird im Siebten Kapitel der Bhagavad-Gita

eingehend beschrieben.

In dem yoga-System, wie es in diesem Kapitel beschrieben

wird, gibt es zwei Arten von samadhi:

samprajnata-samadhi und asamprajnata-samadhi. Wenn

man durch verschiedene philosophische Forschungen in der

transzendentalen Position verankert wird, wird dies

samprajnata-samadhi genannt. Im samprajnata-samadhi

hat man keine Verbindung mehr mit weltlichen Freuden,

denn man steht dann zu allem Glück, das durch die Sinne

erfahren wird, in transzendentaler Stellung. Wenn der yogi

einmal in dieser transzendentalen Position verankert ist,

kann er niemals darin erschüttert werden. Solange der yogi

nicht imstande ist, dieses Position zu erreichen, ist er

erfolglos. Der sogenannte yoga, der heutzutage praktiziert

wird und zu dem verschiedenartige Sinnenfreuden gehören,

ist widersprüchlich. Ein yogi, der Sex und Drogen frönt, ist

eine Witzfigur. Selbst jene yogis, die von den siddhis

(Vollkommenheiten)im yoga angezogen werden, haben nicht

die Vollkommenheit erreicht. Wenn die yogis von den

Nebenerscheinungen des yoga angezogen werden, können

sie die Stufe der Vollkommenheit, wie sie in diesem Vers

beschrieben wird, nicht erreichen. Menschen, die ihre Zeit

mit der Zurschaustellung gymnastischer Kunststücke oder

siddhis vergeuden, sollten daher wissen, dass das Ziel des

yoga auf diese Weise verlorengeht.

Der beste Weg, in diesem Zeitalter yoga zu praktizieren, ist

Krsna-Bewusstsein, denn dort wird niemand zum Narren

gehalten. Ein Krsna-Bewusster Mensch ist in seiner

Beschäftigung so glücklich, dass er nach keinem anderen

Glück begehrt. Beim Praktizieren von hanha-yoga,

dhyana-yoga und jnana-yoga gibt es gerade im gegenwä

rtigen Zeitalter der Heuchelei viele Hindernisse, doch

gibt es kein solches Problem bei der Ausübung von
karma-yoga oder bhakti-yoga.

Solange der materielle Körper existiert, muss man sich auch

mit den Bedürfnissen des Körpers, das heisst mit Essen,

Schlafen, Sichverteidigen und Sichpaaren auseinandersetzen.

Doch ein Mensch in reinem bhakti-yoga

oder Krsna-Bewusstsein erregt die Sinne nicht, während er

die Bedürfnisse des Körpers befriedigt. Vielmehr erfüllt er

die bloßen Lebensnotwendigkeiten, indem er das beste aus

einem schlechten Geschäft macht, und genießt

transzendentales Glück im Krsna-Bewusstsein. Er wird von

unverhofften Ereignissen, wie Unfällen, Krankheit,

Knappheit und selbst dem Tod eines geliebten Verwandten,

nicht berührt, sondern ist immer bereit, seine Pflichten im

Krsna-Bewusstsein oder bhakti-yoga zu erfüllen.

Unglücksfälle hindern ihn niemals an der Erfüllung seiner

Pflicht. In der Bhagavad-Gita wird dazu gesagt:

agamapayino 'nityas tams titiksasva bharata. Er erduldet

all diese unerwarteten Ereignisse, weil er weiß, dass sie

kommen und gehen und seine Pflichten nicht beeinflussen.

Auf diese Weise erreicht er die höchste Vollkommenheit im

yoga.
VERS 24
Man sollte yoga mit fester Entschlossenheit und

unerschütterlichem Glauben praktizieren. Man sollte

alle aus falschem Ego geborenen materiellen Wünsche

ohne Ausnahme aufgeben und so in jeder Hinsicht alle

Sinne durch den Geist beherrschen.
ERLÄUTERUNG

Der yoga-Praktiker sollte entschlossen sein und geduldig,

ohne abzuweichen, mit der Praxis fortfahren. Man sollte

vom letztlichen Erfolg überzeugt sein und diesem Pfad mit

großer Ausdauer folgen, ohne sich entmutigen zu lassen,

wenn es etwas länger dauert, bis man erfolgreich ist. Dem

strengen Praktiker ist der Erfolg sicher. Rupa Gosvami sagt

über bhakti-yoga:

"Bhakti-yoga kann mit voller Begeisterung, Ausdauer und

Entschlossenheit erfolgreich praktiziert werden, wenn man

den vorgeschriebenen Pflichten in der Gemeinschaft von

Gottgeweihten folgt und vollständig in Tätigkeiten der

Tugend beschäftigt ist."

Was Entschlossenheit betrifft, so sollte man dem Beispiel

des Sperlingweibchens folgen, das seine Eier in den Wellen

des Ozeans verlor. Ein Sperlingsweibchen hatte seine Eier

an den Strand gelegt, aber der große Ozean trug die Eier

auf seinen Wellen davon. Der kleine Vogel wurde sehr

aufgeregt und bat den Ozean, die Eier zurückzugeben. Der

Ozean jedoch beachtete ihn nicht einmal. Darauf entschloß

sich das Sperlingsweibchen, den Ozean auszutrocknen. Es

begann, mit seinem kleinen Schnabel Wasser zu schöpfen,

und jeder lachte über seine unmögliche Entschlossenheit.

Die Nachricht von seinem Vorhaben verbreitete sich rasch,

und schließlich hörte auch Garuda, der gigantische,

gefiederte Träger Visnus, davon. Er bekam Mitleid mit

seiner kleinen Vogelschwester, und so kam er, um das

Sperlingsweibchen zu besuchen. Garuda war über die

Entschlossenheit des kleinen Sperlings sehr erfreut und

versprach zu helfen. Garuda befahl dem Ozean sogleich,

die Eier zurückzugeben, und drohte, andernfalls selbst die

Arbeit des Sperlings zu übernehmen. Der Ozean war sehr

erschrocken und gab die Eier zurück. So wurde der
Sperling durch die Gnade Garudas glücklich.
In ähnlicher Weise mag das Praktizieren von yoga,

besonders von bhakti-yoga im Krsna-Bewusstsein, sehr

schwierig erscheinen, doch wenn jemand den Prinzipien

mit großer Entschlossenheit folgt, wird ihm der Herr mit

Sicherheit helfen, denn: Hilf dir selbst, so hilft dir Gott.

VERS 25

Allmählich, Schritt für Schritt, mit voller Überzeugung,

sollte man mit Hilfe der Intelligenz in Trance versinken,

und so sollte der Geist allein auf das Selbst gerichtet

werden und an nichts anderes mehr denken.
ERLÄUTERUNG

Durch echte Überzeugung und Intelligenz sollte man

allmählich die Tätigkeiten der Sinne einstellen. Das nennt

man pratyahara. Der Geist, der durch Überzeugung,
Meditation und Beendigung der Sinnestätigkeiten

beherrscht ist, sollte in Trance oder samadhi versenkt

werden. Dann besteht nicht länger die Gefahr, in der

materiellen Auffassung vom Leben tätig zu werden. Mit

anderen Worten: Obgleich man mit der Materie zu tun hat,

solange der materielle Körper existiert, sollte man nicht an

Sinnenbefriedigung denken. Man sollte an keine andere

Freude denken als die Freude des Höchsten Selbst. Dieser

Zustand wird leicht erreicht, wenn man Krsna-Bewusstsein

direkt praktiziert.
VERS 26
Wohin auch immer der Geist aufgrund seiner
ßackernden und unsteten Natur wandert - man muss

ihn auf jeden Fall zurückziehen und wieder unter die

Herrschaft des Selbst bringen.
ERLÄUTERUNG

Der Geist ist von Natur aus flackernd und unstet. Ein

selbstverwirklichter yogi jedoch muss den Geist

beherrschen; der Geist sollte nicht ihn beherrschen. Wer

den Geist beherrscht (und damit auch die Sinne), wird

gosvami oder svami genannt, und wer vom Geist beherrscht

wird, wird godasa oder Diener der Sinne genannt. Ein

gosvami kennt den Standard von Sinnenfreude.

Transzendentale Sinnenfreude erfährt man, wenn die Sinne

im Dienste Hrsikesas (Krsnas), des Höchsten Besitzers der

Sinne, beschäftigt sind. Krsna mit gereinigten Sinnen zu

dienen wird Krsna-Bewusstsein genannt. Das ist der Weg,

die Sinne völlig zu beherrschen. Gibt es darüber hinaus

noch etwas, was die höchste Vollkommenheit der
yoga-Praxis ist?
VERS 27

Der yogi, dessen Geist fest auf Mich gerichtet ist,

erreicht das höchste Glück. Kraft seiner Identität mit

dem Brahman ist er befreit; sein Geist ist friedvoll;

seine Leidenschaften sind zur Ruhe gekommen, und er

ist befreit von Sünde.
ERLÄUTERUNG

Brahma-bhuta ist der Zustand, in dem man von materieller

Verunreinigung frei ist und bei dem man im

transzendentalen Dienst des Herrn verankert ist. Mad

bhaktim labhate param (Bg. 18.54). Man kann die
Eigenschaften des Brahman, des Absoluten, nicht

beibehalten, solange der Geist nicht fest auf die Lotosfüße

des Herrn gerichtet ist. Immer im transzendentalen

liebevollen Dienst des Herrn beschäftigt zu sein, das heisst

im Krsna-Bewusstsein zu bleiben, bedeutet, dass man von

der Erscheinungsweise der Leidenschaft und aller

materiellen Verunreinigung tatsächlich befreit ist.

VERS 28
Fest verankert im Selbst und befreit von aller

materiellen Verunreinigung, erreicht der yogi, der mit

dem Höchsten Bewusstsein in Berührung ist, die am
höchsten vervollkommnete Stufe des Glücks.
ERLÄUTERUNG

Selbsterkenntnis bedeutet, seine wesensgemäße Stellung in

Beziehung zum Höchsten zu kennen. Die individuelle Seele

ist ein winziger Bestandteil des Höchsten, und es ist ihre

Position, dem Herrn transzendentalen Dienst zu leisten.

Dieser transzendentale Kontakt mit dem Höchsten wird

brahma-samsparsa genannt.
VERS 29

Ein wahrer yogi sieht Mich in allen Wesen und sieht

auch jedes Wesen in Mir. Wahrlich, die
selbstverwirklichte Seele sieht Mich überall.
ERLÄUTERUNG

Ein Krsna-Bewusster yogi hat die vollkommene Sicht, da er

Krsna, den Höchsten, im Herzen eines jeden als Überseele

(Paramatma) sieht. Der Herr in Seinem Paramatma-Aspekt

befindet Sich sowohl im Herzen eines Hundes als auch im

Herzen eines brahmana. Der vollkommene yogi weiß, dass

der Herr ewig transzendental ist und durch Seine

Gegenwart in einem Hund oder einem brahmana nicht von

der Materie berührt wird. Dies ist die höchste Neutralität

des Herrn. Auch die individuelle Seele befindet sich im

individuellen Herzen, aber sie ist nicht in allen Herzen

gegenwärtig. Das ist der Unterschied zwischen der

individuellen Seele und der Überseele. Jemand, der nicht

tatsächlich in der Praxis des yoga bewandert ist, hat keine

so klare Sicht. Ein Krsna-Bewusster Mensch kann Krsna

sowohl im Herzen eines Gläubigen als auch im Herzen

eines Ungläubigen sehen. In der smrti wird dies wie folgt

bestätigt: atatatvac ca matrtvad atma hi paramo harih.

Weil der Herr der Ursprung aller Wesen ist, ist Er wie die

Mutter und der Erhalter. Wie die Mutter all ihren

verschiedenen Kindern gegenüber neutral ist, so ist es auch

der Höchste Vater bzw. die Höchste Mutter. Folglich ist die

Überseele in jedem Lebewesen immer gegenwärtig. Auch

nach außen hin befindet sich jedes Lebewesen in der

Energie des Herrn. Wie im Siebten Kapitel erklärt werden

wird, hat der Herr hauptsächlich zwei Energien - die

spirituelle (oder höhere) und die materielle (oder niedere)

Energie. Obwohl das Lebewesen ein Teil der höheren

Energie ist, wird es von der niederen Energie bedingt; das

Lebewesen befindet sich jedoch immer in der Energie des

Herrn. Jedes Lebewesen befindet sich auf die eine oder

andere Weise in Ihm. Der yogi sieht alle Lebewesen mit

gleichen Augen, denn er sieht, dass sie unter allen

Umständen Diener Gottes bleiben, wenngleich sie sich je

nach den Ergebnissen ihrer fruchtbringenden Arbeit in

verschiedenen Situationen befinden. Während sich das

Lebewesen in der materiellen Energie aufhält, dient es den

materiellen Sinnen, und wenn es sich in der spirituellen

Energie befindet, dient es dem Höchsten Herrn direkt. In

beiden Fällen aber ist das Lebewesen der Diener Gottes.

Diese Sicht der Gleichheit findet in einem Menschen im

Krsna-Bewusstsein ihre Vollkommenheit.
VERS 30

Für jemand, der Mich überall sieht und alles in Mir

sieht, bin Ich niemals verloren; noch ist er jemals

verloren für Mich.
ERLÄUTERUNG

Ein Mensch im Krsna-Bewusstsein sieht Sri Krsna gewiß

überall, und er sieht alles in Krsna. Es mag erscheinen, als

sehe ein solcher Mensch alle gesonderten Manifestationen

der materiellen Natur, doch in jedem Fall ist er sich Krsnas

Bewusst, da er weiß, dass alles die Manifestation von Krsnas

Energie ist. Nichts kann ohne Krsna existieren, und Krsna

ist der Herr aller Dinge - dies ist das Grundprinzip des

Krsna-Bewusstseins. Krsna-Bewusstsein ist die Entwicklung

von Liebe zu Krsna - eine Position, die selbst zu

materieller Befreiung transzendental ist. Es ist die Stufe

jenseits von Selbstverwirklichung, auf der der Gottgeweihte

mit Krsna in dem Sinne eins wird, dass Krsna alles für den

Gottgeweihten wird und der Gottgeweihte mit Liebe zu

Krsna erfüllt wird. Dann besteht eine enge Beziehung

zwischen dem Herrn und dem Gottgeweihten. Auf dieser

Stufe erlangt das Lebewesen seine Unsterblichkeit. Die

Persönlichkeit Gottes verschwindet niemals aus den Augen

des Gottgeweihten. Mit Krsna zu verschmelzen bedeutet

spirituelle Vernichtung. Ein Gottgeweihter nimmt ein

solches Risiko nicht auf sich. In der Brahma-saàhita (5.38)

heisst es:

"Ich verehre den urersten Herrn, Govinda, der immer von

dem Gottgeweihten gesehen wird, dessen Augen mit dem

Balsam der Liebe gesalbt sind. Er wird in Seiner ewigen

Gestalt des Syamasundara gesehen, die im Herzen der

Gottgeweihten weilt."

Auf dieser Stufe verschwindet Sri Krsna niemals aus den

Augen des Gottgeweihten, noch verliert der Gottgeweihte

den Herrn jemals aus den Augen. Das gleiche gilt für einen

yogi, der den Herrn als Paramatma in seinem Herzen sieht.

Solch ein yogi wird zu einem reinen Gottgeweihten und

kann es nicht ertragen, auch nur einen Augenblick zu leben,

ohne den Herrn in seinem Innern zu sehen.
VERS 31

Ein yogi, der weiß, dass Ich und die Überseele in allen

Geschöpfen eins sind, verehrt Mich und bleibt unter

allen Umständen immer in Mir.
ERLÄUTERUNG

Ein yogi, der über die Überseele meditiert, sieht in seinem

Innern die vollständige Erweiterung Krsnas - Visnu -

mit vier Händen, die Muschelhorn, Rad, Keule und Lotos

halten. Der yogi sollte wissen, dass Visnu von Krsna nicht

verschieden ist. Krsna ist in dieser Form der Überseele in

jedem Herzen anwesend. Auch gibt es keinen Unterschied

zwischen den unzähligen Überseelen, die in den unzähligen

Herzen der Lebewesen gegenwärtig sind. Auch besteht kein

Unterschied zwischen einem Krsna-Bewussten Menschen,

der ständig im transzendentalen liebevollen Dienst Krsnas

beschäftigt ist, und einem vollkommenen yogi, der über die

Überseele meditiert. Der yogi im Krsna-Bewusstsein bleibt

immer in Krsna verankert, obwohl er im materiellen Dasein

mit den unterschiedlichsten Tätigkeiten beschäftigt sein

mag. Das wird von Srila Rupa Rupa Gosvami im

Bhakti-rasamrta-sindhu wie folgt bestätigt: nikhilesu

avasthasu jivanmukta sa ucyate. "Ein Gottgeweihter, der

stets im Krsna-Bewusstsein handelt, ist von selbst befreit."

Im Narada-paNcaratra wird dies so bestätigt:

"Indem man seine Aufmerksamkeit auf die transzendentale

Gestalt Krsnas richtet, der alldurchdringend ist und Sich

jenseits von Raum und Zeit befindet, versinkt man in

Gedanken an Krsna und erreicht den glücklichen Zustand

transzendentaler Gemeinschaft mit Ihm."

Krsna-Bewusstsein ist die höchste Stufe der Trance im

yoga. Eben dieses Verständnis, dass Krsna als Paramatma

im Herzen eines jeden anwesend ist, macht den yogi

fehlerlos. Die Veden bestätigen diese unvorstellbare Kraft

des Herrn wie folgt:

"Visnu ist eins, und dennoch ist Er alldurchdringend. Durch

Seine unvorstellbare Kraft ist Er trotz Seiner einen Form

überall gegenwärtig. Wie die Sonne erscheint Er an vielen

Orten gleichzeitig."
VERS 32
O Arjuna, ein vollkommener yogi ist, wer durch
Vergleich mit seinem eigenen Selbst die wahre

Gleichheit aller Wesen sieht - sowohl in ihrem Glück

als auch in ihrem Leid.
ERLÄUTERUNG

Wer Krsna-Bewusst ist, ist ein vollkommener yogi; aufgrund

seiner eigenen Erfahrung ist er sich des Glücks und Leids

eines jeden Bewusst. Die Ursache für das Leid eines

Lebewesens liegt im Vergessen seiner Beziehung zu Gott.

Und die Ursache für sein Glück liegt im Wissen, dass Krsna

der höchste Genießer aller Tätigkeiten des Menschen ist.

Krsna ist der Besitzer aller Länder und Planeten. Der

vollkommene yogi ist der aufrichtigste Freund aller

Lebewesen. Er weiß, dass das Lebewesen, das durch die

Erscheinungsweisen der materiellen Natur bedingt ist, den

dreifachen materiellen Leiden unterworfen ist, weil es seine

Beziehung zu Krsna vergessen hat. Weil ein Mensch im

Krsna-Bewusstsein glücklich ist, versucht er, das Wissen

von Krsna überall zu verbreiten. Weil der vollkommene

yogi die Wichtigkeit, Krsna-Bewusst zu werden, zu

verbreiten sucht, ist er der größte Menschenfreund auf der

Welt, und er ist der liebste Diener des Herrn. Mit anderen Worten:

Ein Gottgeweihter sorgt sich immer um das Wohl aller

Lebewesen, und daher ist er der wirkliche Freund eines

jeden. Er ist der beste yogi, denn er strebt nicht nach

Vollkommenheit im yoga, um seinen eigenen Nutzen

daraus zu ziehen, sondern versucht, auch anderen zu helfen.

Er mißachtet seine Mitlebewesen nicht. Hierdurch

unterscheidet sich ein reiner Gottgeweihter von einem yogi,

der nur an seinem eigenen Fortschritt interessiert ist. Der

yogi, der sich an einen einsamen Ort zurückgezogen hat,

um in vollendeter Weise zu meditieren, kann nicht so

vollkommen sein wie ein Gottgeweihter, der sein Bestes

versucht, um jeden Menschen zum Krsna-Bewusstsein zu

bringen.
VERS 33
Arjuna sagte: O Madhusudana, das yoga-System, das
Du zusammengefasst hast, erscheint mir

undurchführbar und unerträglich, denn der Geist ist

ruhelos und unstet.
ERLÄUTERUNG

Das System der Mystik, das Sri Krsna Arjuna beschrieb,

angefangen mit den Worten sucau dese bis zu den Worten

yogi paramah, wird hier von Arjuna aus einem Gefühl der

Unfähigkeit heraus abgelehnt. Im gegenwärtigen Zeitalter

des Kali ist es einem gewöhnlichen Menschen nicht
möglich, sein Heim zu verlassen und sich an einen
einsamen Ort in den Bergen oder im Dschungel
zurückzuziehen, um dort yoga zu praktizieren. Das

gegenwärtige Zeitalter ist durch einen erbitterten Kampf

um ein kurzes Leben gekennzeichnet. Den Menschen ist es

nicht einmal mit Selbstverwirklichung durch einfache,

praktische Mittel ernst, geschweige denn durch dieses

schwierige yoga-System, das die Lebensgewohnheiten, die

Art zu sitzen, die Lage des Ortes und die Loslösung des

Geistes von materiellen Betätigungen regelt. Obwohl

Arjuna viele hervorragende Fähigkeiten besaß, erschien es

ihm, als praktisch denkendem Menschen, unmöglich,

diesem yoga-System zu folgen. Er gehörte zur königlichen

Familie und nahm dank zahlreicher guter Eigenschaften

eine hohe Stellung ein. Er war ein großer Krieger, er hatte

ein langes Leben zu erwarten, und vor allem war er der

vertrauteste Freund Sri Krsnas, der Höchsten Persönlichkeit

Gottes. Vor fünftausend Jahren hatte Arjuna also viel

bessere Voraussetzungen als wir heute, und dennoch

weigerte er sich, dieses yoga-System zu akzeptieren. Ja, wir

finden nirgendwo in der Geschichte einen Hinweis darauf,

dass Arjuna dieses System jemals praktiziert hat. Deshalb

muss man davon ausgehen, dass es im Zeitalter des Kali im

allgemeinen unmöglich ist, nach diesem yoga-System zu

leben. Natürlich mag es für einige sehr wenige, seltene

Menschen möglich sein, doch für die Masse der Menschen

ist es ein unmögliches Unterfangen. Wenn das vor fünftausend

Jahren so war, wie soll es dann heute möglich sein?

Diejenigen, die dieses yoga-System in verschiedenen

sogenannten Schulen und Gesellschaften imitieren,

verschwenden - obwohl sie mit sich selbst zufrieden sind

- nur ihre Zeit. Sie befinden sich in völliger Unwissenheit,

was das eigentliche Ziel anbelangt.
VERS 34

Der Geist ist ruhelos, stürmisch, widerspenstig und sehr

stark, o Krsna, und ihn zu bezwingen erscheint mir

schwieriger, als den Wind zu beherrschen.
ERLÄUTERUNG

Der Geist ist so stark und widerspenstig, dass er manchmal

die Intelligenz überwältigt, obwohl er eigentlich der

Intelligenz untergeordnet sein sollte. Für einen Menschen

im Alltagsleben, der gegen so viele Widerstände zu

kämpfen hat, ist es zweifellos sehr schwierig, den Geist zu

beherrschen. Künstlich mag man zwar eine geistige

Ausgeglichenheit gegenüber Freund und Feind entwickeln,

doch letzten Endes ist dies keinem weltlichen Menschen

möglich, da es schwieriger ist, als den stürmenden Wind zu

beherrschen. In den vedischen Schriften wird gesagt:

"Das Individuum ist der Reisende im Wagen des

materiellen Körpers, und die Intelligenz ist der Fahrer. Der

Geist ist der Zügel, und die Sinne sind die Pferde. Das

Selbst ist in Verbindung mit dem Geist und den Sinnen

entweder der Genießende oder der Leidende. So sehen es

die großen Denker."

Die Intelligenz sollte dem Geist eigentlich Anweisungen

geben, aber der Geist ist so stark und widerspenstig, dass er

die Intelligenz oft überwältigt. Da der Geist so stark ist,

sollte er durch yoga beherrscht werden, doch wenn solcher

yoga für einen weltlichen Menschen wie Arjuna nicht

praktisch ist, wie sollte er es dann für den modernen

Menschen sein? Der in diesem Vers gebrauchte Vergleich

ist sehr zutreffend: Man kann den Wind nicht einfangen.

Und noch schwieriger ist es, den stürmischen Geist zu

beherrschen. Der einfachste Weg, den Geist zu

beherrschen, ist, wie von Sri Krsna Caitanya empfohlen

wurde, das demütige Chanten von Hare Krsna, dem großen

mantra der Befreiung. Die vorgeschriebene Methode lautet:

sa vai manah Krsna-padaravindayoh. Man muss seinen

Geist völlig in Krsna versenken. Nur dann wird es keine

anderen Beschäftigungen geben, die den Geist aufwühlen

können.
VERS 35

Der Segenspendende Herr sprach: O starkarmiger Sohn

Kuntis, es ist ohne Zweifel sehr schwierig, den ruhelosen

Geist zu zügeln, doch durch ständige Übung und durch

Loslösung ist es möglich.
ERLÄUTERUNG

Dass es schwierig ist, den widerspenstigen Geist zu

bändigen, wird von der Persönlichkeit Gottes eingeräumt.

Gleichzeitig aber weist der Herr darauf hin, dass es durch

Praxis und Loslösung möglich ist. Worin besteht nun diese

Praxis? Im gegenwärtigen Zeitalter kann niemand solch

strenge Regeln und Regulierungen einhalten, wie sich an

einem heiligen Ort niedersetzen, den Geist auf die

Überseele richten, die Sinne und den Geist zügeln, im

Zölibat leben, allein bleiben usw. Durch die Praxis des

Krsna-Bewusstseins jedoch beschäftigt man sich in neun

Arten des hingebungsvollen Dienstes für den Herrn. Die

erste und wichtigste solch hingebungsvoller Betätigungen

ist das Hören über Krsna. Das ist eine sehr mächtige

transzendentale Methode, den Geist von allem Schlechten

zu reinigen. Je mehr man über Krsna hört, desto mehr wird

man erleuchtet und löst sich von allem, was den Geist von

Krsna fortzieht. Indem man den Geist von Tätigkeiten löst,

die nicht dem Herrn geweiht sind, kann man sehr leicht

vairagya erlernen. Vairagya bedeutet Loslösung von der

Materie und die Beschäftigung des Geistes auf der

spirituellen Ebene. Unpersönliche spirituelle Loslösung ist

schwieriger als die Anhaftung des Geistes an die Taten

Krsnas. Das ist praktisch, denn wenn man über Krsna hört,

entwickelt man von selbst Anhaftung an das Höchste

Spirituelle Wesen. Diese Anhaftung nennt man

pareèanubhuti oder spirituelle Befriedigung. Sie gleicht

dem Gefühl der Befriedigung, das ein Hungriger bei jedem

Bissen empfindet, den er zu sich nimmt.
In ähnlicher Weise empfindet man bei der Ausübung

hingebungsvollen Dienstes in dem Maße transzendentale

Befriedigung, wie der Geist von materiellen Objekten gel

öst wird. Es ist so, als heile man eine Krankheit durch

fachkundige Behandlung und geeignete Diät. Über die

transzendentalen Taten Sri Krsnas zu hören ist die fachkundige

Behandlung für den verrückten Geist, und

Nahrung zu essen, die Krsna geopfert wurde, ist die

geeignete Diät für den leidenden Patienten. Diese

Behandlung ist der Vorgang des Krsna-Bewusstseins.

VERS 36
Für einen Menschen mit ungezügeltem Geist ist
Selbstverwirklichung ein schwieriges Unterfangen.

Demjenigen aber, dessen Geist beherrscht ist und der

sich mit rechten Mitteln bemüht, ist der Erfolg sicher.

Das ist Meine Meinung.
ERLÄUTERUNG

Die Höchste Persönlichkeit Gottes erklärt, dass jemand, der

nicht die richtige Behandlung akzeptiert, den Geist von

materieller Betätigung zu lösen, schwerlich Erfolg in der

Selbstverwirklichung erreichen kann. Der Versuch, yoga zu

praktizieren, während man gleichzeitig den Geist mit

materiellem Genuss beschäftigt, ist mit dem Versuch zu

vergleichen, Feuer zu entzünden, während man Wasser

darauf gießt. In ähnlicher Weise ist auch yoga ohne

Beherrschung des Geistes nur Zeitverschwendung. Solch

eine yoga-Show mag zwar materiell gesehen

gewinnbringend sein, doch ist sie nutzlos, was spirituelle

Verwirklichung betrifft. Daher muss der Geist beherrscht

werden, indem man ihn ständig im transzendentalen

liebevollen Dienst des Herrn beschäftigt. Solange man nicht

im Krsna-Bewusstsein tätig ist, kann man den Geist nicht

auf lange Sicht beherrschen. Ein Krsna-Bewusster Mensch

erreicht leicht das Ergebnis von yoga, ohne eine gesonderte

Anstrengung machen zu müssen; doch jemand, der yoga

praktiziert, kann nicht erfolgreich sein, ohne Krsna-Bewusst

zu werden.
VERS 37

Arjuna sagte: Was ist das Schicksal eines Gläubigen,

der nicht standhaft ist - der den Pfad der

Selbstverwirklichung zwar aufnimmt, doch ihn später

aufgrund seiner Weltzugewandtheit wieder verläßt und

daher die Vollkommenheit der Mystik nicht erreicht?

ERLÄUTERUNG

Der Pfad der Selbstverwirklichung oder Mystik wird in der

Bhagavad-Gita beschrieben. Das Grundprinzip von
Selbstverwirklichung ist die Erkenntnis, dass das
Lebewesen nicht der materielle Körper, sondern

verschieden davon ist und dass sein Glück in ewigem

Leben, ewiger Glückseligkeit und ewigem Wissen liegt, das

heisst auf der transzendentalen Ebene, jenseits von Körper

und Geist. Nach Selbstverwirklichung sucht man durch den

Pfad der Erkenntnis, durch das achtfache yoga-System oder

durch bhakti-yoga. Bei jedem dieser Vorgänge muss man

die wesensgemäße Stellung des Lebewesens erkennen,

seine Beziehung zu Gott und die Tätigkeiten, durch die

man die verlorene Verbindung wiederherstellen und die am

höchsten vervollkommnete Stufe des Krsna-Bewusstseins

erreichen kann. Wenn man einer der obenerwähnten drei

Methoden folgt, ist es sicher, dass man früher oder später

das höchste Ziel erreicht. Dies wurde vom Herrn im

Zweiten Kapitel versichert: Schon eine kleine Bemühung

auf dem transzendentalen Pfad bietet die Aussicht auf

Befreiung. Von diesen drei Methoden ist der Pfad des

bhakti-yoga für dieses Zeitalter besonders geeignet, da er

die unmittelbarste Methode der Gotteserkenntnis ist. Um

doppelt sicher zu gehen, bittet Arjuna Sri Krsna, Seine

frühere Aussage noch einmal zu bestätigen. Man mag zwar

den Pfad der Selbstverwirklichung aufrichtig beschreiten,

doch ist es in diesem Zeitalter im allgemeinen sehr

schwierig, Wissen zu kultivieren oder das achtfache

yoga-System zu praktizieren.

Deshalb mag man, trotz ständiger Bemühung, aus vielen

Gründen scheitern. Als erstes mag man dem Vorgang nicht

folgen. Dem transzendentalen Pfad zu folgen bedeutet mehr

oder weniger, der illusionierenden Energie den Krieg zu

erklären. Wann immer daher jemand versucht, den Klauen

der illusionierenden Energie zu entkommen, versucht diese,

ihn durch vielfache Verlockungen zu Fall zu bringen. Eine

bedingte Seele ist durch die Erscheinungsweisen der

materiellen Energie bereits betört und es besteht, selbst

wenn man transzendentale Tätigkeiten ausführt, jederzeit

die Möglichkeit, erneut bezaubert zu werden. Das nennt

man yogat calita-manasah oder Abweichung vom

transzendentalen Pfad. Arjuna fragt nach den Folgen, die

entstehen, wenn man vom Pfad der Selbstverwirklichung

abweicht.
VERS 38

O starkarmiger Krsna, vergeht ein solcher Mensch, der

vom Pfad der Transzendenz abgewichen ist, nicht wie

eine zerrissene Wolke - ohne Halt in irgendeiner
Sphäre?
ERLÄUTERUNG

Es gibt zwei Wege, Fortschritt zu machen. Diejenigen, die

Materialisten sind, haben kein Interesse an der

Transzendenz; deshalb sind sie mehr daran interessiert,

durch wirtschaftliche Entwicklung materiellen Fortschritt

zu machen oder durch geeignete Werke zu höheren
Planeten erhoben zu werden. Wenn man den Pfad der
Transzendenz beschreiten will, muss man mit allen

materiellen Tätigkeiten aufhören und auf alle Arten

sogenannten materiellen Glücks verzichten. Wenn der

strebende Transzendentalist scheitert, sind ihm

offensichtlich beide Wege versperrt; mit anderen Worten,

er kann weder materielles Glück noch spirituellen Erfolg

genießen. Er steht nirgendwo; er gleicht einer zerrissenen

Wolke. Eine Wolke löst sich manchmal von einer kleinen

Wolke und verbindet sich mit einer großen. Doch wenn sie

sich nicht mit einer großen verbinden kann, wird sie vom

Wind fortgeblasen und verliert sich am weiten Himmel.

Der brahmanah pathi ist ein Pfad transzendentaler

Verwirklichung durch die Erkenntnis, dass man in der

Essenz spirituell und ein winziger Bestandteil des Höchsten

ist, der als Brahman, Paramatma und Bhagavan manifestiert

ist. Sri Krsna ist die vollständige Manifestation der

Höchsten Absoluten Wahrheit, und deshalb ist jemand, der

der Höchsten Person ergeben ist, ein erfolgreicher

Transzendentalist. Um dieses Ziel des Lebens durch

Brahman- und Paramatma-Erkenntnis zu erreichen, sind

viele, viele Geburten notwendig: Deshalb ist bhakti-yoga

oder Krsna-Bewusstsein die höchste transzendentale

Verwirklichung - es ist die direkte Methode.
VERS 39

Das ist mein Zweifel, o Krsna, und ich bitte Dich, ihn

völlig zu beseitigen. Außer Dir gibt es niemanden, der

diesen Zweifel zerstören kann.
ERLÄUTERUNG
Krsna hat vollkommenes Wissen von Vergangenheit,

Gegenwart und Zukunft. Am Anfang der Bhagavad-Gita

sagte der Herr, dass alle Lebewesen in der Vergangenheit

als Individuen existierten, dass sie jetzt in der Gegenwart

existieren und dass sie ihre individuelle Identität auch in der

Zukunft - selbst nach der Befreiung aus der materiellen

Verstrickung - behalten würden. Der Herr hat also die

Frage nach der Zukunft des individuellen Lebewesens

bereits geklärt. Jetzt möchte Arjuna wissen, wie die

Zukunft für den erfolglosen Transzendentalisten aussieht.

Niemand kommt Krsna gleich oder übertrifft Ihn, und auch

die sogenannten Weisen und Philosophen, die von der

Barmherzigkeit der materiellen Natur abhängen, können

Ihm gewiß nicht gleichkommen. Deshalb sind Krsnas

Worte die endgültige und vollständige Antwort auf alle

Zweifel, denn Er kennt Vergangenheit, Gegenwart und

Zukunft vollkommen - doch niemand kennt Ihn. Nur

Krsna und Krsna-Bewusste Gottgeweihte können wissen,

was was ist.
VERS 40

Der Segenspendende Herr sprach: O Sohn Prthas, ein

Transzendentalist, der glückbringenden Tätigkeiten

nachgeht, wird weder in dieser noch in der spirituellen

Welt vergehen; wer Gutes tut, Mein Freund, wird
niemals vom Schlechten besiegt.
ERLÄUTERUNG

Im Srimad-Bhagavatam (1.5.17) gibt Sri Narada Muni

seinem Schüler Srila Rupa Vyasadeva folgende Unterweisung:

"Wenn jemand alle materiellen Erwartungen aufgibt und

völlige Zuflucht sucht bei der Höchsten Persönlichkeit

Gottes, gibt es für ihn weder Verlust noch Erniedrigung.

Auf der anderen Seite mag ein Nichtgottgeweihter seinen

tätigkeitsgemäßen Pflichten voll nachkommen und dennoch

nichts gewinnen."

Es gibt viele Tätigkeiten, die sowohl von den Schriften als

auch von der Tradition vorgeschrieben werden, doch ein

Transzendentalist sollte alle materiellen Tätigkeiten

aufgeben, um spirituellen Fortschritt im Leben zu machen,

das heisst um Krsna-Bewusstsein zu entwickeln. Man mag

einwenden, dass man durch Krsna-Bewusstsein die höchste

Vollkommenheit nur erreichen könne, wenn man es

vollende, dass man aber sowohl in materieller als auch in

spiritueller Hinsicht verliere, wenn man diese Stufe nicht

erreiche. In den Schriften heisst es, dass man die Reaktionen

erleiden müsse, wenn man seine vorgeschriebenen
Pflichten nicht erfülle; wer es daher versäume,

transzendentale Tätigkeiten in rechter Weise auszuführen,

sei diesen Reaktionen ausgesetzt. Das Bhagavatam

versichert dem erfolglosen Transzendentalisten, dass er

nichts zu befürchten hat. Selbst wenn er den Reaktionen

ausgesetzt sein mag, die auf unvollkommen ausgeführte

vorgeschriebene Pflichten folgen, ist er dennoch kein

Verlierer, denn das glückspendende Krsna-Bewusstsein ist

niemals vergessen, und jemand, der einmal in dieser Weise

tätig war, wird damit fortfahren, selbst wenn er im nächsten

Leben in einer niedrigen Familie geboren wird. Wer aber,

auf der anderen Seite, nur streng den vorgeschriebenen

Pflichten folgt, braucht nicht unbedingt glückbringende

Ergebnisse zu erreichen, wenn es ihm an Krsna-Bewusstsein

mangelt.

Die Bedeutung mag wie folgt verstanden werden: Die

Menschen können in zwei Gruppen unterteilt werden,

nämlich die regulierten und die unregulierten. Diejenigen,

die nur, wie die Tiere, ihre Sinne befriedigen, ohne von

ihrem nächsten Leben und spiritueller Erlösung zu wissen,

gehören zu den unregulierten Menschen. Im Gegensatz

dazu werden diejenigen, die den Prinzipien der in den

Schriften vorgeschriebenen Pflichten folgen, zu den

regulierten Menschen gezählt. Die unregulierten Menschen

- zivilisierte und unzivilisierte, gebildete und ungebildete,

starke und schwache - sind voller tierischer Neigungen.

Ihre Tätigkeiten sind niemals glückbringend, denn weil sie

die tierischen Neigungen, wie Essen, Schlafen,

Sichverteidigen und Sexualität, genießen, bleiben sie

fortwährend im materiellen Dasein, das immer leidvoll ist.

Auf der anderen Seite machen diejenigen, die durch die

Unterweisungen der Schriften reguliert sind und sich auf

diese Weise allmählich zum Krsna-Bewusstsein erheben,

Fortschritte im Leben.

Diejenigen, die dem glückverheißenden Pfad folgen,

können in drei Gruppen gegliedert werden: 1) diejenigen,

die den Regeln und Regulierungen der Schriften folgen und

daher materiellen Wohlstand genießen, 2) diejenigen, die

die endgültige Befreiung vom materiellen Dasein suchen

und 3) diejenigen, die Geweihte im Krsna-Bewusstsein sind.

Diejenigen, die den Regeln und Regulierungen der

Schriften folgen, um materielles Glück zu erlangen, können

weiter in zwei Gruppen eingeteilt werden: in die

fruchtbringenden Arbeiter und diejenigen, die nach keiner

Frucht für Sinnenbefriedigung begehren. Jene Menschen,

die nach fruchtbringenden Ergebnissen für

Sinnenbefriedigung streben, mögen zu einer höheren

Lebensstufe - selbst zu höheren Planeten - erhoben

werden, aber dennoch folgen sie, weil sie vom materiellen

Dasein nicht frei sind, nicht dem wahrhaft glückbringenden

Pfad. Die einzig glückbringenden Tätigkeiten sind solche,

die einen zur Befreiung führen. Jede Tätigkeit, die nicht auf

endgültige Selbstverwirklichung oder Befreiung von der

materiellen, körperlichen Auffassung vom Leben hinzielt,

ist in keiner Weise glückbringend. Tätigkeit im

Krsna-Bewusstsein ist die einzige glückbringende Tätigkeit,

und jeder, der freiwillig alle körperlichen

Unbequemlichkeiten auf sich nimmt, um auf dem Pfad des

Krsna-Bewusstseins fortzuschreiten, kann als vollkommener

Transzendentalist unter schwerer tapasya bezeichnet

werden. Und weil das achtfache yoga-System auf die

endgültige Verwirklichung des Krsna-Bewusstseins

gerichtet ist, ist solche Praxis ebenfalls glückbringend, und

niemand, der dabei sein Bestes versucht, muss Erniedrigung

befürchten.
VERS 41
Nach vielen, vielen Jahren des Genusses auf den

Planeten der frommen Lebewesen wird der gescheiterte

yogi in einer Familie rechtschaffener Menschen oder in

einer reichen, aristokratischen Familie geboren.
ERLÄUTERUNG

Die gescheiterten yogis werden in zwei Gruppen unterteilt:

der eine ist nach sehr geringem Fortschritt zu Fall

gekommen, und der andere ist gefallen, nachdem er lange

Zeit yoga praktiziert hat. Der yogi, der nach einer kurzen

Zeit des Praktizierens fällt, geht zu den höheren Planeten,

zu denen fromme Lebewesen Zutritt haben. Nachdem er

dort ein langes Leben verbracht hat, wird er wieder zur

Erde zurückgeschickt, um in der Familie eines

rechtschaffenen brahmana, Vaisnava oder in der Familie

aristokratischer Kaußeute geboren zu werden.

Das wirkliche Ziel des yoga besteht darin, die höchste

Vollkommenheit des Krsna-Bewusstseins zu erlangen. Aber

denen, die nicht durchhalten und aufgrund materieller

Verlockungen scheitern, ist es durch die Gnade des Herrn

erlaubt, vollen Gebrauch von ihren materiellen Neigungen

zu machen. Und danach wird ihnen die Möglichkeit

gegeben, ein wohlhabendes Leben in einer rechtschaffenen

oder aristokratischen Familie zu führen. Diejenigen, die in

solchen Familien geboren werden, können die Möglichkeit

nutzen und versuchen, sich zur Stufe vollkommenen Krsna-

Bewusstseins zu erheben.
VERS 42

Oder er wird in einer Familie von Transzendentalisten

geboren, die gewiss von großer Weisheit sind. Wahrlich,

solch eine Geburt ist sehr selten in dieser Welt.
ERLÄUTERUNG
Die Geburt in einer Familie von yogis oder

Transzendentalisten - die mit großer Weisheit begabt sind

- wird hier gepriesen, weil das Kind, das in einer solchen

Familie geboren wird, gleich vom Beginn seines Lebens an

spirituellen Antrieb bekommt. Das ist besonders bei den

acarya- oder gosvami-Familien der Fall. Solche Familien

sind durch Tradition und Übung sehr gelehrt und

hingegeben, und so werden sie spirituelle Meister. In Indien

gibt es viele solche acarya-Familien, doch aufgrund

unzureichender Bildung und Übung sind sie heute

degeneriert. Durch die Gnade des Herrn gibt es jedoch

immer noch Familien, die Generation für Generation

Transzendentalisten hervorbringen. Es ist zweifellos ein

großes Glück, in solchen Familien geboren zu werden.

Glücklicherweise hatten sowohl unser spiritueller Meister,

Om Visnupada Sri Srimad Bhaktisiddhanta Sarasvati

Gosvami Maharaja, als auch unsere Wenigkeit durch die

Gnade des Herrn die Gelegenheit, in solchen Familien

geboren zu werden, und beide wurden wir von

Kindesbeinen an im hingebungsvollen Dienst des Herrn

geschult. Später trafen wir uns auf Anordnung des
Höchsten.
VERS 43
O Sohn Kurus, wenn er in einer solchen Familie

geboren wird, erweckt er das göttliche Bewusstsein

seines vorheriges Lebens wieder und versucht, weiteren

Fortschritt zu machen, um vollständigen Erfolg zu
erreichen.
ERLÄUTERUNG

König Bharata, der bei seiner dritten Geburt in der Familie

eines guten brahmana geboren wurde, ist ein Beispiel guter

Geburt, um früheres transzendentales Bewusstsein

wiederzubeleben. König Bharata war der Kaiser der Welt,

und seit seiner Zeit ist dieser Planet unter den Halbgöttern

als Bharatavarsa bekannt. Früher war er als Ilavartavarsa

bekannt. Der Kaiser zog sich schon in jungen Jahren

zurück, um spirituelle Vollkommenheit zu erlangen, hatte

jedoch keinen Erfolg. In seinem nächsten Leben wurde er

in der Familie eines guten brahmana geboren, und weil er

sich immer absonderte und mit niemandem sprach, war er

als Jada Bharata bekannt. Später entdeckte König

Rahugana, dass er der größte Transzendentalist war. An

seinem Leben wird deutlich, dass transzendentale
Bemühungen oder das Praktizieren von yoga niemals

vergebens ist. Durch die Gnade des Herrn bekommt der

Transzendentalist wiederholte Gelegenheiten, die höchste

Vollkommenheit im Krsna-Bewusstsein zu erreichen.
VERS 44

Kraft des göttlichen Bewusstseins seines vorherigen

Lebens fühlt er sich von selbst - sogar ohne danach zu

streben - zu den Prinzipien des yoga hingezogen. Ein

solcher wissbegieriger Transzendentalist, der sich um

yoga bemüht, steht immer über den rituellen Prinzipien

der Schriften.
ERLÄUTERUNG

Fortgeschrittene yogis verspüren keine große Anziehung zu

den Ritualen der Schriften, doch fühlen sie sich von selbst

zu den Prinzipien des yoga hingezogen, die sie zu
vollkommenem Krsna-Bewusstsein, der höchsten

Vollkommenheit des yoga, erheben können. Im Srimad

Bhagavatam (3.33.7) wird solche Gleichgültigkeit

fortgeschrittener Transzendentalisten vedischen Ritualen

gegenüber wie folgt erklärt:

"O mein Herr! Menschen, die die Heiligen Namen Deiner

Herrschaft chanten, sind im spirituellen Leben weit, weit

fortgeschritten - selbst wenn sie in Familien von
Hundeessern geboren wurden. Solche Chanter haben

zweifellos alle möglichen Arten von tapasya und Opfern

auf sich genommen, an allen heiligen Orten gebadet und

das Studium aller Schriften abgeschlossen."

Das berühmte Beispiel hierfür gab Sri Krsna Caitanya, der

Thakura Haridasa als einen Seiner wichtigsten Schüler

annahm. Obwohl Thakura Haridasa in einer

Moslem-Familie geboren war, wurde er von Sri Krsna

Caitanya zum namacarya erhoben, da er streng den

Grundsatz einhielt, jeden Tag dreihunderttausend Heilige

Namen des Herrn zu chanten: Hare Krsna, Hare Krsna,

Krsna Krsna, Hare Hare/ Hare Rama, Hare Rama, Rama

Rama, Hare Hare. Und weil er den Heiligen Namen des

Herrn ständig chantete, kann man folgern, dass er in seinem

vorangegangenen Leben alle rituellen Methoden der Veden,

die als sabda-brahma bekannt sind, praktiziert haben

musste. Solange man daher nicht geläutert ist, kann man

sich weder dem Prinzip des Krsna-Bewusstseins zuwenden

noch dem Chanten des Heiligen Namens des Herrn, Hare

Krsna.
VERS 45

Wenn sich der yogi jedoch ernsthaft bemüht, weiteren

Fortschritt zu machen, und von allen Verunreinigungen

reingewaschen ist, erreicht er schließlich, nach vielen,

vielen Geburten der Vorbereitung, das höchste Ziel.

ERLÄUTERUNG
Jemand, der in einer besonders rechtschaffenen,

aristokratischen oder geheiligten Familie geboren ist, wird

sich der günstigen Lage Bewusst, in der er sich befindet, um

yoga zu praktizieren. Mit Entschlossenheit widmet er sich

daher wieder der unbeendeten Aufgabe und reinigt sich auf

diese Weise vollständig von allen materiellen

Verunreinigungen. Wenn er schließlich frei ist von allen

Unreinheiten, erreicht er die höchste Vollkommenheit -

Krsna-Bewusstsein. Krsna-Bewusstsein ist die vollkommene

Stufe, auf der man von allen Verunreinigungen frei ist. Das

wird in der Bhagavad-Gita (7.28) bestätigt:
"Wenn man nach vielen, vielen Leben, in denen man

fromme Werke getan hat, von allen Verunreinigungen und

illusionierenden Dualitäten völlig frei ist, wird man im

transzendentalen liebevollen Dienst des Herrn beschäftigt."

VERS 46
Ein yogi ist größer als der Asket, größer als der

Empiriker und größer als der fruchtbringende Arbeiter.

Deshalb, o Arjuna, sei unter allen Umständen ein yogi.

ERLÄUTERUNG

Wenn wir von yoga sprechen, so meinen wir damit den

Vorgang, durch den unser Bewusstsein mit der Höchsten

Absoluten Wahrheit verbunden wird. Ein solcher Vorgang

wird von verschiedenen Menschen, die ihn ausführen,

entsprechend der Methode, die sie angenommen haben,

unterschiedlich benannt. Wenn der Verbindungsvorgang

vorwiegend aus fruchtbringenden Tätigkeiten besteht, wird

er karma-yoga genannt; ist er vorwiegend empirisch, nennt

man ihn jnana-yoga, und wenn er vorwiegend in einer

hingebungsvollen Beziehung zum Höchsten Herrn besteht,

wird er als bhakti-yoga bezeichnet. Bhakti-yoga bzw.

Krsna-Bewusstsein ist die höchste Vollkommenheit aller

yogas, wie im nächsten Vers erklärt werden wird. Der Herr

hat hier zwar die Überlegenheit des yoga erklärt, aber Er

hat nicht gesagt, dass es besser sei als bhakti-yoga.

Bhakti-yoga ist vollkommenes spirituelles Wissen und kann

daher von nichts übertroffen werden. Askese ohne

Selbsterkenntnis ist unvollkommen; empirisches Wissen

ohne Hingabe an den Höchsten Herrn ist ebenfalls
unvollkommen, und fruchtbringende Arbeit ohne

Krsna-Bewusstsein ist Zeitverschwendung. Die am höchsten

gepriesene Form der yoga-Praxis, die hier erwähnt wird, ist

bhakti-yoga, und dies wird noch deutlicher im nächsten

Vers erklärt.
VERS 47

Von allen yogis ist der am engsten mit Mir in yoga

vereint, der mit starkem Glauben immer in Mir weilt

und Mich im transzendentalen liebevollen Dienst
verehrt, und er ist der höchste von allen.
ERLÄUTERUNG

Das Wort bhajate ist hier von Bedeutung. Bhajate hat seine

Wurzel in dem Verb bhaj, das verwendet wird, wenn

Dienst gemeint ist. Das Wort "verehren" kann nicht im

gleichen Sinn wie bhaja gebraucht werden. Verehren

bedeutet bewundern oder einem, der es Wert ist, Achtung

und Ehre zu erweisen. Aber Dienst mit Liebe und Glauben

ist besonders für die Höchste Persönlichkeit Gottes

bestimmt. Man kann es vermeiden, einen achtbaren Mann

oder einen Halbgott zu verehren, und mag als unhöflich

bezeichnet werden, aber man kann den Dienst für den

Höchsten Herrn nicht vermeiden, ohne mit Nachdruck

verdammt zu sein. Jedes Lebewesen ist ein winziges

Bestandteil der Höchsten Persönlichkeit Gottes, und daher

ist jedes Lebewesen dafür bestimmt, dem Höchsten Herrn

seiner Veranlagung gemäß zu dienen. Wenn das

Lebewesen dies unterlässt, fällt es ins materielle Dasein

herunter. Das Bhagavatam bestätigt dies wie folgt:

"Jeder, der keinen Dienst leistet und seine Pflicht

gegenüber dem Urersten Herrn, der die Quelle aller

Lebewesen ist, vernachlässigt, wird mit Sicherheit von

seiner wesensgemäßen Stellung fallen."

In diesem Vers wird das Wort bhajanti ebenfalls gebraucht.

Folglich ist das Wort bhajanti nur auf den Höchsten Herrn

zutreffend, wohingegen das Wort "verehren" bei
Halbgöttern oder auch bei anderen gewöhnlichen

Lebewesen verwendet werden kann. Das Wort avajananti,

das in diesem Vers des SrimadBhagavatams vorkommt,

findet man auch in der Bhagavad-Gita: avajananti maà

muÅhaÉ: "Nur die Toren und Halunken verspotten die

Höchste Persönlichkeit Gottes Sri Krsna." Solche Toren

maßen sich an, Kommentare zur Bhagavad-Gita zu
schreiben, ohne dem Herrn gegenüber eine dienende

Haltung einzunehmen. Folglich können sie zwischen dem

Wort bhajanti und dem Wort "verehren" nicht richtig unterscheiden.

Alle Arten von yoga-Praktiken gipfeln in bhakti-yoga. Alle

anderen yogas sind nichts weiter als Mittel, um zum Punkt

der bhakti im bhakti-yoga zu kommen. Yoga bedeutet

eigentlich bhakti-yoga. Alle anderen yogas sind Schritte auf

dem Weg zum Ziel des bhakti-yoga. Vom Beginn des

karma-yoga bis zum Ende des bhakti-yoga ist es ein langer

Weg der Selbstverwirklichung. Karma-yoga, ohne

fruchtbringende Ergebnisse, ist der Anfang dieses Pfades.

Wenn karma-yoga an Wissen und Entsagung zunimmt,

nennt man diese Stufe jnana-yoga. Wenn sich jnana-yoga

zur Meditaion über die Überseele durch verschiedene

körperliche Vorgänge steigert und der Geist auf die

Überseele gerichtet ist, wird dies asnaâga-yoga genannt.

Und wenn man über astanga-yoga hinausgeht und zum

Punkt der Höchsten Persönlichkeit Gottes gelangt, wird

dies als bhakti-yoga oder der Gipfel bezeichnet. Tatsächlich

ist bhakti-yoga das endgültige Ziel, doch um bhakti-yoga

genau zu analysieren, muss man diese anderen yogas

verstehen. Der yogi, der Fortschritte macht, befindet sich

daher auf dem wahren Pfad des ewigen Glücks. Wer an

einem bestimmten Punkt stehen bleibt und nicht weiter

fortschreitet, wird dementsprechend karma-yogi,

jnana-yogi oder dhyana-yogi, raja-yogi, hanha-yogi usw.

genannt. Wenn jemand das Glück hat, zu bhakti-yoga zu

kommen, kann man verstehen, dass er alle anderen yogas

hinter sich gelassen hat. Krsna-Bewusst zu werden ist daher

die höchste Stufe des yoga, geradeso, wie in Bezug auf die

Himalayas, das höchste Gebirge der Welt, der Mount

Everest als der höchste Gipfel angesehen wird.
Durch großes Glück gelangt man auf dem Pfad des

bhakti-yoga zum Krsna-Bewusstsein, um der vedischen

Weisung gemäß eine gute Stellung einzunehmen. Der

ideale yogi richtet seine Aufmerksamkeit auf Krsna, der

Syamasundara genannt wird, der so schön gefärbt ist wie

eine Wolke, dessen lotosgleiches Antlitz wie die Sonne

strahlt, dessen Gewand von Juwelen funkelt und dessen

Körper mit Blumen bekränzt ist. Seine prachtvolle

Ausstrahlung, brahmajyoti genannt, erleuchtet alle

Himmelsrichtungen. Er inkarniert Sich in verschiedenen

Formen, wie Rama, Nrsimha, Varaha und Krsna, die

Höchste Persönlichkeit Gottes, und Er kommt zu uns wie

ein menschliches Wesen, als der Sohn Mutter Yasodas, und

ist als Krsna, Govinda und Vasudeva bekannt. Er ist das

vollkommene Kind, der vollkommene Ehemann, der
vollkommene Freund und Meister, und Er birgt alle

Reichtümer und alle transzendentalen Eigenschaften in

Sich. Wenn man sich dieser Merkmale des Herrn voll

Bewusst bleibt, wird man als der höchste yogi bezeichnet.

Wie in allen vedischen Schriften bestätigt wird, kann diese

Stufe höchster Vollkommenheit im yoga nur durch
bhakti-yoga erreicht werden:

"Nur jenen großen Seelen, die uneingeschränkten Glauben

an den Herrn und den spirituellen Meister haben, wird die

ganze Bedeutung des vedischen Wissens von selbst
offenbart."
"Bhakti bedeutet hingebungsvoller Dienst für

den Herrn, frei von dem Wunsch nach materiellem Gewinn,

sowohl in diesem als auch im nächsten Leben. Frei von

solchen Neigungen, sollte man den Geist völlig in den

Höchsten versenken. Das ist der Zweck von naiskarmya."

Dies sind einige der Mittel, um bhakti (Krsna-Bewusstsein),

die am höchsten vervollkommnete Stufe des yoga-Systems,

zu praktizieren.
Hiermit enden die Bhaktivedanta-Erläuterungen zum

Sechsten Kapitel der Srimad-Bhagavad-Gita mit dem Titel:

"Dhyana-yoga".

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