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100 Jahre : 2005 Sept,09 Ian Semple1
Die Bestimmung der Bahá'í Gemeinde in Deutschland
(2005.09.10. 15:20-15:45)
Meine lieben Freunde,

zunächst muss ich Ihnen allen, und den Gläubigen in ganz Deutschland, die liebevollen Glückwünsche des Universalen Hauses der Gerechtigkeit und die Versicherung seiner Gebete für Sie übermitteln.

Es ist ein sehr großes Privileg und eine große Freude für mich, vom Universalen Haus der Gerechtigkeit als sein Vertreter bei dieser historischen Jahrhundertfeier der Eröffnung Deutschlands für die Sache Bahá’u’lláhs ernannt worden zu sein. Schon seit ich den Glauben angenommen habe, ist die deutsche Bahá’í-Gemeinde mir stets sehr nahe gewesen und hat mir viele Segnungen gebracht.

Ich habe die Errungenschaften dieser Gemeinde auf dem Wege ihrer so klar von ‘Abdu’l-Bahá und Shoghi Effendi beschriebenen Bestimmung voll Freude und Hoffnung miterlebt.

Kurz vor unserer Abreise aus dem Heiligen Land hatten Louise und ich das Glück, einen Nachmittag mit der Hand der Sache Gottes Dr. ‘Alí-Muhammad Varqá zu verbringen. Er sprach mit mir über diese Feier und bat mich Ihnen seine liebevollen Grüße zu übermitteln. Wie Sie sicher wissen, nimmt Deutschland einen besonderen Platz in seinem Herzen ein.

Wir sind Anhänger eines Glaubens, dessen zentrale Lehre die Einheit der Menschheit ist. Man mag daher sehr wohl fragen: Was meinen wir damit, wenn wir von der Bestimmung einer Gemeinde sprechen?

Ich denke, wir müssen auf das Wirken des Ewigen Bundes zurückblicken. In diesem Bund verlangt unser Schöpfer, dass wenn wir, Seine Geschöpfe, unser Leben in Übereinstimmung mit dem Ziel und Zweck unserer Erschaffung erfüllen wollen, wir der Führung folgen müssen, die Er uns durch Seine Manifestationen offenbart. Er verpflichtet sich Seinerseits, uns nie ohne die Führung zu lassen, die wir im jeweiligen Stadium unserer Entwicklung benötigen.

Dieser Ewige Bund bestand schon lange vor dem Beginn der belegten Geschichte und wird, so versichert uns Bahá’u’lláh, für immer fortbestehen. Er ist die Quelle der ständig fortschreitenden Kultur, die das Ziel der menschlichen Gesellschaft ist.

Im Laufe der Zeit haben die einzelnen Menschen und Gesellschaften auf verschiedene Art und Weise auf die Botschaften reagiert, die Gott gesandt hat, und haben somit im Laufe der Geschichte unterschiedliche Rollen gespielt. Außerdem kümmert sich Gott nicht nur um die Menschheit als Ganzes, sondern auch um jeden einzelnen und um jedes einzelne Volk. Jesus sagte: „Verkauft man nicht fünf Sperlinge für zwei Groschen? Dennoch ist vor Gott nicht einer von ihnen vergessen. Aber auch die Haare auf eurem Haupt sind alle gezählt. Darum fürchtet euch nicht; ihr seid besser als viele Sperlinge.”1[1] Und schreibt nicht Bahá’u’lláh in einem der Fastengebete2[2] „Jedes Blatt dieser Bücher und Schriften hast Du zudem einem jeden Volk und Stamm der Erde zugewiesen.“?

Die Fürsorge und Aufmerksamkeit, die Gott jedem einzelnen und jedem Volk widmet, ist kein Widerspruch zu Seiner Fürsorge für die ganze Schöpfung. Es gibt somit bei der Realisierung der Offenbarung Bahá’u’lláhs eine Verflechtung der Bestimmungen von Ländern und Gemeinden, die jeweils eine zentrale Aufgabe bei der Erfüllung des Ganzen erledigen müssen. In diesem Zeitalter sind alle spezifischen Bestimmungen in der einen enormen Aufgabe miteinander verbunden, die Welt zu vereinen und die Reife der menschlichen Gesellschaft zu erreichen.

Wir sind nicht in der Lage, in jedem einzelnen Fall zu sehen, wie Gott die Bestimmung eines Volkes verfügt und vorantreibt, aber in einigen Fällen hat entweder Shoghi Effendi oder ‘Abdu’l-Bahá, oder sogar Bahá’u’lláh Selbst, uns eine Vision von den Errungenschaften gegeben, die von bestimmten Nationen und Personen erwartet werden.

In diesem Zusammenhang müssen wir uns stets bewusst sein, dass in der Welt zwei Pläne Gottes vonstatten gehen. Einer, der Kleinere Plan, ist klar und geordnet. Er wird von denjenigen ausgeführt, die Bahá’u’lláh erkannt haben und danach streben, Seine Lehren unter der Führung des Zentrums des Glaubens umzusetzen. Die aufeinander folgenden Lehrpläne, und sogar selbst der Göttliche Plan ‘Abdu’l-Bahás, sind Teile dieses Kleineren Plans. Aber Gottes Absicht, die Menschheit zu befrieden und zu vereinigen, wird nicht den Bahá’í alleine überlassen. Es gibt auch den Größeren Plan Gottes, durch welchen Er die Menschheit als Ganzes in Richtung Friede und Einheit führt. Er wird zum größten Teil von Menschen ausgeführt, welche die Bahá’í-Lehren nicht kennen und manchmal für die Einheit und manchmal gegen sie arbeiten. Daher ist das Wirken des Größeren Planes oft verwirrend und stürmisch. Es kann sogar die Abläufe des Kleineren Planes beeinträchtigen, aber langfristig gesehen ist es segensreich.

Der Größere Plan ist keine Angelegenheit der Bahá’í. Er ist eine Angelegenheit Gottes. Wir sollten uns dessen bewusst sein, was die Schriften darüber sagen, und verstehen, was der Hintergrund für viele der Ereignisse in der Welt ist. Bei einigen Dingen kann unser Tun hilfreich sein, wenn wir uns zum Beispiel für die Annahme einer internationalen Hilfssprache einsetzen, aber wir müssen vorsichtig sein, dass wir nicht in die Versuchung geraten, uns in die Politik einzumischen.

Im Größeren Plan werden alle Regierungen und Länder aufgerufen, den Frieden in der Welt zu errichten, den wir als den Geringeren Frieden bezeichnen, aber der westlichen Hemisphäre wird hierbei eine besondere Verantwortung übertragen. Im Kitáb-i-Aqdas gebietet Bahá’u’lláh den „Herrschern Amerikas und den Präsidenten seiner Republiken“: „Verbindet den Verletzten mit den Händen der Gerechtigkeit und zermalmet den Unterdrücker auf der Höhe seiner Macht mit der Rute der Gebote eures Herrn, des Gesetzgebers, des Allweisen.“3[3]. Dies ist eindeutig Teil des Größeren Planes Gottes.

Parallel hierzu wird den Bahá’í-Gemeinden der westlichen Hemisphäre bei der Verwirklichung des Kleineren Planes eine besondere Verantwortung übertragen, insbesondere den Vereinigten Staaten und auch den eingeborenen Völkern dieser Hemisphäre. Es ist meines Erachtens von großer Bedeutung, dass es Edwin Fischer, ein Amerikaner deutscher Abstammung war, der Deutschland für den Glauben eröffnete, und weiter dass es eine Amerikanerin, Alma Knobloch, war, die kam, um ihm zu helfen. Desgleichen waren es am Ende des Zweiten Weltkriegs zwei Amerikaner, John Eichenauer und Bruce Davison, die beim Wiederaufleben der deutschen Bahá’í-Gemeinde eine maßgebliche Rolle spielten – unterstützt von Henry Jarvis, einem weiteren Amerikaner, der auch den französischen Bahá’í half. Es ist sehr angebracht, dass John Eichenauer heute bei uns ist, und auch zwei Mitglieder des Nationalen Geistigen Rates der Vereinigten Staaten.

Die Bestimmung der deutschen Bahá’í-Gemeinde trat bereits in den ersten Jahren ihres Bestehens zu Tage. Sie zog die Liebe und das Lob ‘Abdu’l-Bahás auf sich, Der Worte äußerte wie diese:

„Es gibt klare Zeichen dafür, dass das strahlende Licht der Sonne der Wahrheit nicht nur im Bereich von Stuttgart, sondern in ganz Deutschland mit äußerster Intensität leuchten wird, dass der belebende Odem des Heiligen Geistes dort großen Einfluss ausüben und die durchdringende Gnade der Worte Gottes verbreitet werden wird.“4[4]

„Ich hoffe zutiefst, dass Esslingen zu einem führenden Zentrum von Bahá’í-Unternehmungen wird, dass die Sache Gottes dort Tag für Tag voranschreitet und dass die Seelen durch den Hauch des Heiligen Geistes belebt werden, dass die Lehren Bahá’u’lláhs überall verbreitet werden, das Licht der Einheit der Menschheit hervorscheine, die strahlende Pracht des Königreiches ihren Glanz verströme und höchste Freude und Glückseligkeit euch alle umgebe.“5[5]

„Der in jenem Land verkündete Ruf des Königreiches wird in Zukunft sicherlich gewaltige Ergebnisse zeitigen.“6[6]

„Jetzt ist die Zeit des Aufbaus. Jede Art von Stein kann im Gefüge des Baus gebraucht werden. Aber ihr deutschen Freunde solltet als Eckstein des Gebäudes dienen. Ihr solltet die grundlegenden Prinzipien der Sache Gottes allen Völkern und Geschlechtern verkünden.“7[7]

Man kann sehen, dass ‘Abdu’l-Bahá immer wieder den Einfluss betonte, den die deutschen Bahá’í gemäß ihrer Bestimmung auf Länder weit jenseits der Grenzen ihres eigenen Landes ausüben sollten. Shoghi Effendi zeigte auf, welche Folgerungen sich aus dieser Bestimmung ergeben.

Am 31. Januar 1930, kurz bevor für die deutsche Bahá’í-Gemeinde eine Zeit größter Gefahr begann, schickte der Hüter einem Gläubigen ein Telegramm, in welchem er sagte, dass die Prüfungen, die ‘Abdu’l-Bahá für das Wohl Seiner tapferen, geschätzten Gläubigen in Deutschland vorausgesagt hatte, jetzt über sie kommen würden, und er sah den Tag kommen, an dem sie die Prophezeiung des Meisters triumphierend erfüllen und ganz Europa erleuchten würden.

Am 2. Mai 1939, an der Schwelle des Zweiten Weltkrieges, schrieb er: “Denn diese Drangsale, unter denen die deutsche Bahá’í-Gemeinde so schMirzaich leidet, stellen nur eine Übergangsphase in der Geschichte der Sache in jenem Land dar und werden ganz sicher mehr als aufgewogen durch die unaussprechlich herrlichen geistigen Siege, die, wie von ‘Abdu’l-Bahá versprochen, jene Gemeinde künftig zu erringen bestimmt ist.”8[8]

Am 7. Januar 1946 telegrafierte er den nordamerikanischen Bahá’í und sagte, dass die von ‘Abdu’l-Bahá „innig geliebte“ und „hoch geehrte“ deutsche Bahá’í-Gemeinde, die dazu bestimmt war, eine hervorragende Rolle bei der geistigen Erweckung des unterdrückten europäischen Kontinents zu spielen, im Verlauf von zehn Jahren „schwerster Drangsale“, „höchster Gefahr“ und „völliger Unterdrückung“ die „hohe Qualität“ ihres „unbeugsamen Glaubens“ „reichlich bewiesen“ habe.9[9]

Am 24. April 1946 telegrafierte er an einen Gläubigen, er sei: GESPANNT BERICHTE ERHALTEN FORTSCHRITT GEMEINDE DAZU BESTIMMT, WIE VON 'Abdu'l-Bahá PROPHEZEIT, ZUM HÖCHST MÄCHTIGEN ZENTRUM GEISTIGER ERLEUCHTUNG GANZEN EUROPÄISCHEN KONTINENTS ZU ENTWICKELN.10[10]

Innerhalb von zwei Jahren nach diesem Telegram hatte Ihre Gemeinde einen so beachtlichen Fortschritt und eine solche Verbreitung erreicht, dass der Hüter dem Nationalen Geistigen Rat eindringlich nahe legte, einen Fünfjahresplan zu formulieren, der an Ridvan 1953 enden sollte. Dies geschah so, und Shoghi Effendi, der sich in einer Botschaft vom 30. Oktober 1951 auf diesen Plan bezog, erhob die Sicht der deutschen Gläubigen auf ein umfassenderes Verständnis der vor ihnen liegenden Bestimmung:

„Sein erfolgreicher Abschluss“ [das heißt der des Planes] „wird nur ein Startschuss für eine Reihe von Unternehmen sein, jedes ruhmreicher als das vorangegangene, die den Ruhm dieser Gemeinde, die bereits im Schmelztiegel schwerster Heimsuchungen geprüft und mit der zärtlichen Gunst ihres Begründers reichlich versehen wurde, der mit Seiner Gegenwart sein führendes Zentrum segnete, in Gebiete getragen wird, weit über die Grenzen des Heimatlandes hinaus und so weit wie die östlichen Ränder des asiatischen Kontinents.

In solch einem ruhmreichen Unterfangen und im Laufe einer so gewaltigen, bedeutsamen und heiligen Unternehmung wird sie (die Gemeinde), wenn sie die jetzige Aufgabe mutig erfüllt, in ihrem heldenhaften Einsatz durch die gemeinsamen Anstrengungen aller aufblühenden Gemeinden des europäischen Kontinents unterstützt werden. Dann wird sie zusammen mit den Treuhändern von ‘Abdu’l-Bahás Göttlichem Plan, die überall auf dem amerikanischen Kontinent arbeiten, und ihren Schwestergemeinden, die sich in Afrika, Südostasien und Australien mühen, eine beachtliche Rolle in der geistigen Eroberung des gesamten Planeten spielen.“11[11]

Es ist jetzt fast 54 Jahre her, seit jene Botschaft geschrieben wurde, und ich bitte dringend alle diejenigen von Ihnen, die ein tieferes Verständnis der Bestimmung der deutschen Bahá’í-Gemeinde erlangen möchten, den ganzen Brief zu studieren, in seinem Lichte Rückschau zu halten auf das, was in jenem halben Jahrhundert erreicht worden ist, und über die Führung nachzudenken, welche das Universale Haus der Gerechtigkeit jetzt, da sich das Ende des gegenwärtigen Fünfjahresplanes nähert, gewährt; denn dies ist nur die jüngste Unternehmung bei der Ausarbeitung Ihrer Bestimmung.

Dieser Beitrag stammt aus dem Gemeinde.Web des Nationaler Geistiger Rat der Bahá'í in Deutschland e.V.

© Der Nationale Geistige Rat
1[1] Lukas 12:6-7
2[2] Gebete und Meditationen LXXXV
3[3] Kitáb-i-Aqdas 88
4[4] Jetzt ist die Zeit des Aufbaus §9
5[5] Idem §15
6[6] Idem §22
7[7] Idem §25
8[8] Idem §60
9[9] Idem §54
10[10] Idem §55
11[11] Idem §42

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